Weg in den Ruhestand

Zu viel Muße kann Versorgungsauftrag kosten

Der langsame Übergang in den Ruhestand kann Psychotherapeuten viel Geld kosten. Denn wer am Ende zu wenig Patienten behandelt, läuft Gefahr, dass die KV den Versorgungsauftrag entschädigungslos einzieht.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Ein Psychotherapeut im Gespräch mit seiner Patientin: Die Versorgungsrelevanz seiner Praxis muss die Prüfung der KVen bestehen - ganz gleich, wie lange es noch bis zum Ruhestand ist.

Ein Psychotherapeut im Gespräch mit seiner Patientin: Die Versorgungsrelevanz seiner Praxis muss die Prüfung der KVen bestehen - ganz gleich, wie lange es noch bis zum Ruhestand ist.

© Sanders / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) gerät ein altes Problem neu in den Fokus: Die KVen haben durch das VSG den Auftrag bekommen, zu prüfen, ob die Praxischefs ihren Versorgungsauftrag im genehmigten Umfang auch tatsächlich erfüllen.

Seit längerer Zeit warnen die Bundespsychotherapeutenkammer und der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten ihre Mitglieder davor, am Ende ihrer beruflichen Laufbahn die Praxisarbeit zu sehr ausschleichen zu lassen.

Hintergrund ist der, dass bei Stellung eines Nachbesetzungsverfahrens die Zulassungsausschüsse zunehmend prüfen, wie viel Versorgungsrelevanz die jeweilige Praxis noch hat.

Ist der Ausschuss der Ansicht, dass zu wenige Patienten behandelt und der Versorgungsauftrag damit nicht mehr ausgefüllt wird, wird dieser zur Hälfte oder im schlimmsten Fall sogar ganz entzogen.

Das Fatale daran: Eine Entschädigung muss die KV in diesem Fall nicht zahlen. Dazu ist sie - anders als bei der Aufkaufregelung des VSG bei fehlender Versorgungsrelevanz - nicht verpflichtet.

Unterschiedliche Handhabe

"In den KV-Bezirken wird das ganze Thema sehr unterschiedlich gehandhabt. Es hängt auch davon ab, wie die Stimmung in den jeweiligen Zulassungsausschüssen ist", berichtet Ulrike Böker, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten.

So gebe es KVen, die Psychotherapeuten eine Beratung anbieten, wenn es mit dem Versorgungsauftrag kritisch wird. In Bremen etwa habe die KV "eine ganze Zeit lang" davor gewarnt, den Versorgungsauftrag nicht zu erfüllen.

In Bremen wurden nach Angaben der KV seit Einführung der Kann-Aufkaufregelung drei halbe Versorgungsaufträge entzogen. Im gleichen Zeitraum verzichteten drei Psychotherapeuten ohne Nachfolger auf eine halbe Zulassung, ein psychologischer Psychotherapeut auf den ganzen Sitz.

Hinzu kamen im gleichen Zeitraum auch jeweils anderthalb Sitze im Rahmen der Sonderbedarfszulassung Neuropsychologie und sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.

Auch die KV Berlin geht nach eigenen Angaben "den Weg, dass nicht ausgefüllte Versorgungsaufträge sukzessive entzogen werden".

Bis 2013, berichtet Karl Heinz Schrömgens, Präsident der Psychotherapeutenkammer Bremen, habe die KV Kollegen, die ihre Praxis abgeben wollten, Kaufangebote gemacht, um die Sitze stillzulegen. Rund 20 Sitze seien auf diese Weise stillgelegt worden, schätzt Schrömgens.

Kein fixes Schema

Seit der Kann-Aufkaufregelung prüfe der Zulassungsschuss aber, ob die nachzubesetzende Praxis überhaupt ausschreibungsfähig sei. "Usus" sei es, die Praxis gar nicht mehr auszuschreiben, wenn weniger als zehn Therapiesitzungen pro Woche stattgefunden haben.

Bei zehn bis 20 wöchentlichen Sitzungen werde nur der halbe Sitz, bei über 20 Therapiesitzungen der ganze Sitz ausgeschrieben.

Ein solches fixes Schema gebe es im Zulassungsausschuss nicht, dementiert die KV. Nur im ersten Schritt werde der Versorgungsbeitrag der Praxis betrachtet, ansonsten finde eine Einzelfallprüfung statt, bei der nicht nur auf die Zahl der Patienten geschaut werde.

Zudem berücksichtige der Ausschuss das Leistungsgeschehen mindestens der vergangenen drei Jahre, um so der Tatsache gerecht zu werden, dass in den letzten Jahren vor dem Ruhestand sich die Patientenzahl in Psychotherapeuten-Praxen in der Regel verringere.

Für "völlig unangemessen" hält Schrömgens das Vorgehen des Zulassungsausschusses. Und auch Ulrike Böker mahnt, dass der Entzug des Versorgungsauftrages nur das "allerletzte Mittel" sein dürfe. "Vorher sollte den Praxisinhabern eine Frist gesetzt werden, um aufstocken zu können, oder zumindest eine Beratung erfolgen", fordert Böker.

Der Entzug von Versorgungsaufträgen dürfe den KVen nicht dazu dienen, Geld zu sparen. Sowohl die Bundespsychotherapeutenkammer als auch der Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten rät dazu, die Praxisübergabe gut zu planen und entsprechend zu gestalten.

Das Job-Sharing biete eine gute Möglichkeit, die Praxisarbeit zu reduzieren, weil das VSG neue Obergrenzen festgesetzt hat und Job-Sharing dadurch nun attraktiver als vorher geworden ist.

Eine andere Möglichkeit sei, einen halben Sitz an einen Kollegen abzugeben oder zugunsten einer Anstellung bei einem Kollegen auf diesen zu verzichten.

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