Ambulante Notfälle

Klare Verantwortlichkeiten gesucht!

Die ambulante Notfallversorgung ist immer wieder Anlass für Streit zwischen Kliniken und Vertragsärzten. Beim "Gesundheitskongress des Westens" wurden viele Rezepte präsentiert - was fehlt, ist der Konsens.

Veröffentlicht:
Immer wieder in der Diskussion: die Versorgung von Notfallpatienten.

Immer wieder in der Diskussion: die Versorgung von Notfallpatienten.

© Holger Hollemann / dpa

KÖLN. Der gewollte Ausbau der ambulanten Versorgungsangebote kann nur dann Realität werden, wenn das Geld endlich der Leistung folgt.

Sonst werden gute Konzepte der niedergelassenen Ärzte weiterhin an der Argumentation der Kassen scheitern, dass sie jeden Euro nur einmal ausgeben können, warnt der Vize-Vorsitzende der KV Westfalen-Lippe, Dr. Gerhard Nordmann.

"Der stationäre Bereich wird nicht preiswerter durch alternative wirtschaftliche Angebote im ambulanten Versorgungsbereich", skizzierte Nordmann auf dem "Gesundheitskongress des Westens 2016" in Köln die Problematik.

Die Politik müsse das Problem durch ein neues Finanzierungssystem lösen. "Wenn wir innovativ sind, wenn wir preiswerte und dennoch gute Strukturen anbieten, dann müssen diese am Ende auch finanziert werden", sagte er.

Eine neue Art der Finanzierung ist nach seiner Einschätzung auch die Grundlage für sektorübergreifende Kooperationen. "Es gibt noch viel Optimierungspotenzial, von dem alle Beteiligten - Patienten, Versicherer und Leistungserbringer - profitieren können", so Nordmann.

Das Gegeneinander überwinden

Die ambulante Notfallversorgung wäre nach Ansicht von Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, ein guter Ansatzpunkt, um das Gegeneinander von ambulantem und stationärem Sektor zu überwinden.

Sein Vorschlag: "Die ambulante Notfallbehandlung kommt aus der Kassenärztlichen Vereinigung heraus in einen Extra-Bereich, der auch extra vergütet wird."

Die von den Patienten abgerufenen Leistungen müssten von den Kassen bezahlt werden, egal wer sie erbringt. Hinzu kommt: "Der niedergelassene Arzt muss eine vernünftige Vergütung bekommen, auch wenn er bei einem Dienst nichts zu tun hat", betonte Blum.

Er wies den Vorwurf zurück, die Kliniken würden die ambulante Notfallversorgung nutzen, um ihre Betten zu füllen. "Wir behandeln weder Gesunde, noch nehmen wir Gesunde auf."

Viele Patienten kämen auch deshalb in die Ambulanzen, weil diese anders als die niedergelassenen Ärzte 24 Stunden am Tag erreichbar seien.

Steuerungspotenzial der Kliniken

Bei Patienten, die sich selbst einweisen, entscheiden die Krankenhäuser über die Aufnahme, betonte dagegen Dr. Dominik Graf von Stillfried, der Geschäftsführer des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung. "Hier ist ein Steuerungspotenzial, über das dringend nachgedacht werden muss."

Um die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen, hält von Stillfried eine Neugliederung der Verantwortlichkeiten zwischen ambulantem und stationärem Sektor für notwendig.

Dabei sollte man den Wunsch der Bürger nach einer zentralen Anlaufstelle ernst nehmen. Statt der heutigen Ambulanzstrukturen könnte es gut ausgestattete ambulante Versorgungszentren auch an Klinikstandorten mit einer Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit für den Notdienst geben, schlug er vor.

"Die Personalkapazitäten können vom ambulanten Versorgungszentrum der stationären Versorgung gemeinsam genutzt werden." Gleichzeitig müssten die Zuständigkeiten klar definiert werden. "Aufgabengebiet des Krankenhauses ist allein der Betrieb der stationären Versorgung", betonte von Stillfried.

Die Krankenkassen sehen noch ein großes Potenzial für die Ambulantisierung und die Substitution stationärer Leistungen, sagte Christian Traupe, Abteilungsleiter Ambulante Versorgung bei der Barmer GEK.

Als mögliche Handlungsfelder für den Ausbau der ambulanten Versorgung nannte er das ambulante Operieren, die Psychiatrie und die Geriatrie.

Es gehe nicht nur um die Verringerung der Zahl stationärer Fälle, sagte er. Auch ihr Umfang sollte reduziert werden.

"Ein größerer Anteil der prä- und poststationären Behandlung kann von niedergelassenen Ärzten übernommen werden." Dabei könnten sowohl die Kliniken als auch die Niedergelassenen Treiber sein. "Aber kombinierte gemeinsame Angebote sind wahrscheinlich zielführender", findet Traupe. (iss)

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System