Kosten sparen

Patientensteuerung ja, aber nicht durch den Facharzt?

Die Vertragsärzte sind sich einig: Es gibt zu viele unnötige Arzt-Patienten-Kontakte. Strittig ist aber, wer die Arztbesuche künftig steuern soll.

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BERLIN. Die niedergelassenen Ärzte wollen die Arztbesuche von Patienten besser steuern, um Kosten und Ressourcen zu sparen. "Im Durchschnitt geht in Deutschland jeder Patient 17 Mal zum Arzt, entweder zum selben oder zu mehreren. Das sind sehr viele Kontakte - und längst nicht alle sind notwendig", sagt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Die Schweden gehen laut KBV hingegen weniger als drei Mal im Jahr zum Arzt. Für eine bessere Steuerung sei es wichtig, einen Ansprechpartner als erste Anlaufstation zu haben. Das könnte der Hausarzt sein oder ein Facharzt, bei dem der Patient - etwa wegen einer chronischen Erkrankung wie Rheuma - dauerhaft in Behandlung ist, so Gassen.

Dagegen sehen sich die Hausärzte in Deutschland als einzige und erste Anlaufstelle zur Patientensteuerung. "Die hohe Anzahl unnötiger Arzt-Patienten-Kontakte oder die vielen überflüssigen Krankenhausaufenthalte, werden nur dann nachhaltig gelöst werden, wenn wir ein frei wählbares hausärztliches Primärarztsystem flächendeckend umsetzen", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt.

Auch der Bayerische Hausärzteverband (BHÄV) wehrt sich gegen den Begriff des "grundversorgenden Facharztes. In einem Rundschreiben kritisiert der BHÄV-Vorsitzende Dr. Dieter Geis, mit diesem Begriff werde der Politik "eine neue Spezies Hausarzt suggeriert". Dabei handele es sich um einen "massiven Angriff der fachärztlichen Funktionäre in der KBV auf die Beschreibung unseres ureigensten hausärztlichen Aufgabenfelds". Nur Hausärzte seien ausgebildet als "ganzheitliche Langzeitbetreuer, Akutbehandler und Koordinator" der Patienten", heißt es. Ein Facharzt, dessen Facharztqualität nicht bezweifelt werde, könne dies nicht "nebenbei leisten", so Geis.

Die Techniker Krankenkasse (TK) befürchtet in einer solchen Patientensteuerung hingegen vor allem eine Bevormundung ihrer Versicherten. "Erfolgversprechender als eine Steuerung im Sinne eines Dirigierens oder Bevormundens ist es in unseren Augen, die richtigen Anreize zu setzen und die Menschen zu motivieren, sich um ihre Gesundheit zu kümmern", so TK-Chef Jens Baas. Das könnte etwa über Bonusprogramme geschehen.

Gassen unterstrich, die freie Arztwahl müsse grundsätzlich erhalten bleiben. "Wir müssen aber darüber diskutieren, wie wir unser Gesundheitswesen zukunftsfest gestalten wollen. Die Nachfrage und die Kosten nach medizinischen, pflegerischen und anderen Leistungen werden allein schon auf Grund der demografischen Entwicklung steigen.

"Entsprechend müsse über mehrere Wahltarife in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nachgedacht werden. Wolle ein Patient selbst entscheiden, welche medizinischen Leistungen er nutzen wolle, sollten die Mehrbelastungen des Systems über zusätzliche Beiträge aufgefangen werden.

Andererseits müssten die Krankenkassen bei guter Steuerung über Beitragsrückerstattungen nachdenken. "Wir versprechen uns hierdurch ... einen bewussteren Umgang mit der Ressource `Arzt´." Allerdings: "Einen fertigen Plan haben wir noch nicht", sagte der KBV-Chef. und kündigte das Konzept bis zum nächsten Ärztetag im Mai in Hamburg an.

Einig sind sich Haus- und Fachärzte darin, mit einer besseren Steuerung unnötig viele Krankenhausaufenthalte zu vermeiden. Gassen sagte, nach Erhebungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) entstehen über sieben Milliarden Euro Kosten durch unnötige Krankenhauseinweisungen - also durch Einweisungen von solchen Fällen, die eigentlich ambulant behandelt werden müssten. (dpa/fst)

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