Korruption?

Patientenschützer schießen gegen Anwendungsbeobachtungen

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz will die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Anwendungsbeobachtungen verschärft wissen. Ob das in den letzten Zügen befindliche Anti-Korruptionsgesetz dafür das geeignete Vehikel ist, scheint fraglich.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Versorgungsforschung oder Marketing? Der Nutzen von AWB wird immer wieder einmal infrage gestellt.

Versorgungsforschung oder Marketing? Der Nutzen von AWB wird immer wieder einmal infrage gestellt.

© Petrik / fotolia.com

DORTMUND. Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen treibt die Gemüter weiter um.

Auch Monate nach der Experten- und Verbändeanhörung Anfang Dezember melden sich noch kritische Stimmen zu Wort, die weitere Änderungen oder Ergänzungen an dem Gesetzentwurf fordern.

So auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz, die in einer Stellungnahme vor Ostern einen neuen Aspekt in die Korruptions-Debatte wirft: höhere gesetzliche Hürden für Anwendungsbeobachtungen (AWB).

Die Patientenschützer wünschen sich, dass AWB "in ihrer jetzigen Form verboten werden". Solche Studien - von Kritikern immer wieder verdächtigt, für verdeckten Verordnungskauf zu dienen - sollten nur noch nach behördlicher Genehmigung sowie ausdrücklicher Einwilligung beteiligter Patienten erfolgen dürfen.

Zudem sei die Transparenz über AWB zu erhöhen, beispielsweise müssten "Vergütungshöhe" und "wesentliche Studieninhalte" öffentlich einzusehen sein.

AWB stellten einen "Graubereich mit hohem Korruptionspotenzial" dar, woran das Anti-Korruptionsgesetz in seiner jetzigen Form trotz ausdrücklicher Bezugnahme auf AWB im Begründungsteil nichts ändere, so die Stiftung.

Unter Berufung auf Zahlen des Recherchenetzwerkes von "NDR", "WDR" und "Süddeutscher Zeitung" heißt es, Ärzte erhielten jährlich "mehr als 100 Millionen Euro" für AWB. 2014 hätten demnach 12.000 niedergelassene Ärzte an solchen Praxisstudien teilgenommen und 1,7 Millionen Patienten, "in der Regel ohne ihr Wissen".

Die späte Stellungnahme sei keineswegs bloß als politische Duftmarke zu verstehen, sagt ein Sprecher der Stiftung auf Anfrage. Man erwarte durchaus, "dass unsere Vorschläge in der politischen Diskussion aufgenommen werden".

Zwei Straftatbestände ersatzlos gestrichen

Das Papier der Stiftung überschneidet sich mit jüngsten Änderungen an dem Gesetzentwurf, auf die sich Rechtspolitiker der Koalition kürzlich verständigt hatten.

Eine zweite Forderung der Patientenschützer, dass Korruption im Gesundheitswesen nicht wie ursprünglich vorgesehen auf Antrag, sondern von Amts wegen verfolgt, also als Offizialdelikt gefasst werden soll, hat sich damit bereits erledigt.

Denn das ist einer der Punkte, an denen die Parlamentarier den Gesetzentwurf jetzt nachjustiert haben.

Ersatzlos gestrichen wurden des Weiteren die beiden Straftatbestände Verletzung berufsrechtlicher Unabhängigkeitspflichten gegen Entgelt sowie Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Verletzung heilberufsrechtlicher Unabhängigkeitspflichten beim Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten.

Letzteres nimmt vor allem Apothekern die Angst, künftig keine Rabatte und andere Einkaufskonditionen mehr mit dem Pharmagroßhandel aushandeln zu können.

Stattdessen ist diese Einkaufs-Dimension des Gesetzes jetzt so modifiziert worden, dass nur noch Vorteilsnahme für die unlautere Bevorzugung eines Anbieters beim Bezug besagter Mittel bestraft wird, wenn diese "jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind".

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