Aggression gegen Ärzte

Gegen Gewaltexzesse gibt es für Ärzte keinen Schutz

Nach den tödlichen Schüssen auf einen Arzt in der Berliner Charité herrscht Unsicherheit: Kann man solche tragischen Vorfälle überhaupt verhindern? Tatsache ist, dass viele Ärzte das Gefühl haben, dass die Gewaltbereitschaft unter Patienten zunimmt.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Polizisten sichern das Benjamin-Franklin-Krankenhaus nach den tödlichen Schüssen auf einen Arzt.

Polizisten sichern das Benjamin-Franklin-Krankenhaus nach den tödlichen Schüssen auf einen Arzt.

© dpa

Am Tag nach dem schrecklichen Ereignis auf dem Campus Benjamin Franklin in Berlin herrscht bei den Ärzten, Pflegern und in der Verwaltung der Charité immer noch große Bestürzung. Und auch große Ratlosigkeit, wie man die Mitarbeiter vor solchen Attacken von Patienten oder vielleicht auch Besuchern schützen kann.

 Dass Menschen mit einer Waffe in der Hand die Klinik betreten, lasse sich nicht verhindern, sagte Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor, auf einer Pressekonferenz am Dienstagabend. "Ein Krankenhaus ist kein Flughafen."

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat Krankenhäusern empfohlen, für sensible Bereiche Zugangskontrollen als Möglichkeit zu prüfen, vorausgesetzt, diese weisen eine gewisse Abgeschlossenheit auf. Das berichtet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Doch gehört eine Ambulanz für Mund-, Gesichts- und Kieferchirurgie wie in der Charité, in der am Dienstag mittag die tödlichen Schüsse auf einen 55-jährigen Oberarzt fielen, zu einem solchen sensiblen Bereich?

Äußere Schutzmaßnahmen sind schwierig

Die Einrichtung von äußeren Schutzmaßnahmen hält die Ärztekammer Berlin für schwierig. Es sei ja auch nicht wünschenswert, Krankenhäuser und Praxen zu Hochsicherheitseinrichtungen zu machen, so ein Sprecher der Ärztekammer. Glücklicherweise seien Angriffe von Patienten auf Ärzte vergleichsweise selten.

Vor einer derartigen unvorhersehbaren, brutalen Attacke mit tödlichem Ausgang wie an der Charité könne sich aber kein Arzt wirklich schützen. "Solche Situationen sind einfach nicht händelbar", sagt auch Joachim Odenbach, Sprecher der DKG.

"Solche Einzelaktionen kann man einfach nicht verhindern", ist Dr. Gunter Hauptmann, Vorstand der KV Saarland, überzeugt. Nach drei Angriffen auf Ärzte - zuletzt wurde im vergangenen Jahr eine Neurologin von einem Patienten erschossen -, beschäftigt sich die KV intensiv mit dem Thema "Gewalt gegen Ärzte".

Denn in allen drei Fällen geschahen die Taten quasi mit Vorankündigung, waren die Ärzte bereits bedroht worden, berichtet Hauptmann.

Einen Arbeitskreis gründeten die Vorstände der KV, der Ärztekammer, der KZV und der Psychotherapeutenkammer. Desweiteren wurden in den jeweiligen Körperschaften Ansprechpartner benannt, an die sich Ärzte wenden können, wenn sie beispielsweise das Gefühl haben, unterschwellig von Patienten bedroht zu werden.

"Wir vermitteln die Ärzte dann an Experten weiter", sagt Hauptmann. So gebe es beispielsweise bei der Polizei spezielle Ansprechpartner für Gewaltszenarien, die die Situation analysieren und Ärzte auch im weiteren Vorgehen beraten können.

 Daneben gibt es für Ärzte und das Praxispersonal diverse Kursangebote und Seminare, in denen etwa in die Kunst der Selbstverteidigung hineingeschnuppert werden kann oder Deeskalationsstrategien geübt werden können. Diese Angebote gibt es schon lange, doch das Interesse an ihnen stieg natürlich stark an, nachdem im vergangenen Jahr die Neurologin ums Leben gekommen war.

Seit Juni läuft im Saarland eine Online-Umfrage unter den Mitgliedern der Körperschaften zum Thema Gewalt gegen Ärzte. Tendenziell berichteten die Kollegen, dass unter den Patienten die Gewaltbereitschaft zunehme, so Hauptmann.

Vor aggressiven Einzeltätern könne man niemanden hundertprozentig schützen. Das zeigten die jüngsten Anschläge und Amokläufe in München, Würzburg, Ansbach und in Frankreich. Mit Interesse beobachtet die KV nun, ob es in Bezug auf den Terror Lösungsansätze gibt, die sich vielleicht auch in Arztpraxen und Krankenhäusern umsetzen lassen.

Ambulanz bleibt diese Woche geschlossen

Am Dienstag war ein Oberarzt an der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Campus Benjamin Franklin von einem Patienten erschossen worden. Die Charité teilte am Mittwoch mit, dass die Ambulanz in dieser Woche geschlossen bleibt. Patienten mit ambulanten Terminen werden am Charité Campus Virchow-Klinikum versorgt.

Die Mitarbeiter seien immer noch fassungslos und schockiertüber die Ereignisse, heißt es in einer Mitteilung. Seelsorger und Psychologen stünden in ausreichender Zahl zur Betreuung von direkt betroffenen Angestellten bereit. In der Kapelle des Campus wurde inzwischen ein Kondolenzbuch für Trauernde ausgelegt. An allen Standorten der Charité hängen die Flaggen auf Halbmast.

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