"Gröhe 2.0" nach 2017?

Gesundheitsminister muss knallharter General sein

In gut einem Jahr wird der Bundestag neu gewählt. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat Gefallen an seinem Job gefunden. Doch ein "Gröhe 2.0" müsste sich neu erfinden: Für einen harten Spar- und Reformkurs wäre ein "General" gefragt.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat Gefallen an seinem Job gefunden. Wird es 2017 ein Revival geben?

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat Gefallen an seinem Job gefunden. Wird es 2017 ein Revival geben?

© Messe Düsseldorf / ctillmann

BERLIN. Spätherbst 2017: Die Koalitionsverhandlungen sind zäh, die Aufstellung des Personaltableaus für das neue Kabinett gelingt nur mühsam, doch am Ende steht fest: Der neue Gesundheitsminister ist der alte - und heißt Hermann Gröhe (CDU).

Ein realistisches Szenario? Das ist es. Schon zu Jahresbeginn signalisierte Gröhe intern, dass er den Job gerne weiter machen würde, wenn Angela Merkel nach den Wahlen 2017 noch Kanzlerin sei und ihn weiter in diesem Amt sehen wolle. Auf seiner Sommerreise vergangene Woche hat er diesen Wunsch nun bekräftigt.

"Gröhe II" müsste sparen

Der neu-alte Gesundheitsminister müsste dann allerdings ein anderer Ressortchef sein als heute: Einer, der Strukturreformen notfalls auch ohne Mehrausgaben durchs Parlament bringt. Denn "Gröhe II" würde von den Folgen seiner eigenen Politik eingeholt.

Kaum ein Gesetzgebungsvorhaben ist seit 2013 ohne eine massive Leistungsausweitung ausgekommen. Dies ist eine bequeme Art gewesen, sich in den eigenen Reihen - und beim Koalitionspartner - Zustimmung zu erkaufen. Am Ende zählte immer, dass Gröhe bessere Leistungen auch für die GKV-Versicherten verkünden konnte.

Bei den parlamentarischen Beratungen zur Krankenhausreform schrieben die Fachpolitiker Änderungsanträge am Fließband, um den Druck der Länder abzufangen. Als Konsequenz dieses Verfahrens werden die Kassen ab 2017 Jahr für Jahr mehr als 800 Millionen Euro zusätzlich ausgegeben müssen - die Kosten der "eigentlichen" Klinikreform noch gar nicht miteinberechnet.

Die Rechnung kommt dick

Anders herum würde ein Schuh daraus: Um auf einen Schlag rund vier Milliarden Euro im Jahr würden die Kassen entlastet, wenn die Länder ihrer Verpflichtung nachkommen würden, die Investitionskosten der Krankenhäuser zu übernehmen, so wie dies gesetzlich vorgesehen ist.

Kein Wunder, dass die Rechnung dick kommt: Nach einer Aufstellung der KKH addieren sich die Mehrausgaben für die Gröhe-Gesetze ab 2017 auf jährlich rund drei Milliarden Euro. Geld, das die GKV-Mitglieder auch aus ihren weiter steigenden Zusatzbeiträgen erwirtschaften müssen.

Der Deal erweist sich als Pyrrhussieg

Union und SPD haben seit 2013 geradezu puristisch das Gesundheitskapitel im Koalitionsvertrag abgearbeitet. Mit der Finanzreform im Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz sind sie jedoch in eine selbstgestellte Falle gelaufen - im Glauben, es werde schon nicht so arg kommen.

Der für SPD und Union gesichtswahrende Deal erweist sich als Pyrrhussieg: CDU/CSU feierten den eingefrorenen Arbeitgeberbeitrag von 7,3 Prozent und den Zusatzbeitrag als die endgültige Absage an die Bürgerversicherung.

Die Sozialdemokraten werteten die Abschaffung des pauschalen Zusatzbeitrags als das finale Ende der schwarz-gelben Kopfpauschale.

Angst vor der eigenen Courage

Die Wirkung dieses Deals erweist sich angesichts der expansiven Ausgabenpolitik als toxisch: Schon im Oktober, wenn der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt tagt, ist die nächste schlechte Botschaft zu erwarten: steigende Zusatzbeiträge für das Wahljahr. 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte sieht der GKV-Spitzenverband voraus.

Beide Koalitionspartner haben daher Angst vor der eigenen Courage bekommen. Weil die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds mit bisher zehn Milliarden Euro noch vermeintlich gut gefüllt ist, werden den Kassen 2017 einmalig 1,5 Milliarden Euro zugeschustert. Geld wohlgemerkt, dass Arbeitnehmer und -geber längst erarbeitet haben und dass im Fonds lediglich gebunkert wird.

Angesichts der Summe, um die es geht, ist die Nonchalance frappierend, mit der im Kabinettsbeschluss zur Begründung auf "Mehrbelastungen der GKV" verwiesen wird - angeblich für die Versorgung von Flüchtlingen und die elektronische Gesundheitskarte.

Die SPD will zurück zu den Wurzeln

Es passte zu der Chuzpe dieses Vorgangs, dass Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbands, umgehend darauf hinwies, von einer Mehrbelastung der Kassen durch Flüchtlinge könne bisher keine Rede sein.

Viel eher will die Regierung mit den 1,5 Milliarden Euro ein Loch stopfen, dass sie selbst aufgerissen hat. Die Beiträge des Bundes für die Bezieher von Hartz IV, zu ihnen zählen mit wachsender Tendenz auch Flüchtlinge, reichen nach Berechnungen des Kassenverbandes nicht aus. Alleine für 2016 dürfte sich das Defizit aus dieser Position auf 2,3 Milliarden Euro belaufen, heißt es dort.

Die SPD, die zusehends vom Regierungs- in den Wahlkampfmodus wechselt, erkennt keine politische Schizophrenie darin, die von ihr mitgetragene GKV-Finanzreform in den Senkel zu stellen. Ein Gesetz, "das die Solidarität in unserem Gesundheitssystem stärkt": So bezeichnete der SPD-Politiker Karl Lauterbach im Mai 2014 das "GKV-Finanzstärkungsgesetz". Jetzt will die SPD zu den Wurzeln zurück - der Beitragsparität und der Bürgerversicherung.

Gegenrechnung Fehlanzeige

Der Kampf um die Aufbringung der Beiträge hilft trefflich, um davon abzulenken, dass die im Koalitionsvertrag gelisteten Strukturreformen keineswegs abgearbeitet sind - im Gegenteil. Hinter den einzelnen Vorhaben dürften am Ende der Legislatur Häkchen stehen. Inhaltlich können viele Vorhaben aber deshalb nicht überzeugen, weil sie praktisch auf die lange Bank geschoben sind.

Einsparungen aufgrund der Gesetzgebung werden offensichtlich kurz- und mittelfristig nicht erwartet. Gegenrechnungen werden zumindest von der Politik nicht angestellt. Grund ist zum Beispiel, dass die Politik seit Jahren auf Kosten der GKV-Beitragszahler ihre Haushalte saniert.

Gröhe müsste wieder zum General werden

Ein Beispiel: die groß angekündigte Reform der Krankenhauslandschaft. Hier hat die große Koalition zwar das Lastenheft des Gemeinsamen Bundesausschusses prall gefüllt und damit begonnen, viel Geld auszugeben. Wann jedoch echte Ergebnisse zu besichtigen sein werden, die den Trend zur Ambulantisierung der Versorgung widerspiegeln, steht in den Sternen.

Bis tatsächlich die Ergebnisqualität als Indikator für die Vergütung herangezogen werden kann - und das risikoadjustiert und gerichtsfest - dürfte von den aktuell handelnden Politikern keiner mehr im Amt sein. Pay for Performance gibt es weltweit noch nicht. 700 Millionen Euro im Jahr könnten nach einer Analyse des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstituts gespart werden, wenn mit der Krankenhausreform rund 200 kleinere Kliniken geschlossen würden.

Wenn, hätte, würde: Der künftige Gesundheitsminister muss ab 2017 die finanziellen Folgen der expansiven Politik abfedern und Strukturreformen neuen Schwung geben. Gröhe müsste - wie in seinem Posten bei der CDU - wieder zum "General" werden, falls ihn der nächste Bundeskanzler mit diesem Amt erneut betraut.

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