Patientenberatung

"Die Kassen schieben zum Teil die unangenehmen Fälle an uns"

Die Patientenberatung von Kammer und KV in Westfalen-Lippe beantwortet etwa 13 000 Anfragen pro Jahr. Immer öfter übernehmen die Berater Aufgaben, für die eigentlich die Kassen zuständig sind.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Das Gesundheitssystem ist komplex. Wer Fragen hat, findet an verschiedenen Stellen Hilfe.

Das Gesundheitssystem ist komplex. Wer Fragen hat, findet an verschiedenen Stellen Hilfe.

© fotogestöber / Fotolia.com

KÖLN. Bei der Patientenberatung der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe landen immer häufiger Anfragen, die eigentlich von den Krankenkassen bearbeitet werden müssten. Dabei geht es darum, bei den Versicherten unpopuläre gesundheitspolitische Regelungen wie Erstattungsausschlüsse zu erklären.

"Die Kassen schieben zum Teil die unangenehmen Fälle an uns", berichtet die stellvertretende Leiterin der Patientenberatung Dr. Gudula Berger.

Spezielle Datenbanken

25 Prozent aller Anfragen sind inzwischen auf die Krankenkassen zurückzuführen. "Ihre Zahl ist massiv hochgegangen", sagt Berger. Die Kassen wenden sich entweder direkt an die Beratungsstelle in Münster oder verweisen Patienten an sie. Auch medizinische Fragestellungen und die Suche nach einem bestimmten Facharzt spielen dabei eine Rolle.

Die Patientenberatung hat im April 2004 die Arbeit aufgenommen. Die Mitarbeiter hatten zunächst rund 3000 Anfragen im Jahr zu beantworten. Ihre Zahl hat sich inzwischen bei 13 000 eingependelt. 90 Prozent kommen per Telefon.

Von den 13 000 Anfragen stammten im vergangenen Jahr 1000 von Ärzten. Ihnen geht es vor allem um die Suche nach spezialisierten Kollegen, beispielsweise im Bereich der seltenen Erkrankungen. "Wir haben spezielle Datenbanken für die Recherche", erläutert Berger.

Rund zehn Prozent der Patienten wenden sich auf Empfehlung ihres Arztes an die Berater. Auch für sie spielt die Arztsuche eine zentrale Rolle, wenn sie sich an die Patientenberatungsstelle wenden, ebenso wie das Interesse an medizinischen Fragestellungen, etwa zu Diagnose- und Therapieverfahren.

Im Vergleich zu früheren Jahren hat dieser Bereich aber an Bedeutung verloren. "Wir merken, dass sich die Patienten heute viele Informationen im Internet holen." Zugenommen haben dagegen die Fälle, in denen sich die Ratsuchenden über die Folgen gesetzlicher Regelungen beschweren, etwa Zuzahlungen oder der Aut-idem-Austausch.

"Die Patienten werden dadurch unzufriedener, das bekommen wir deutlich zu spüren", sagt die Ärztin.

Vorinformationen oft fehlerhaft

Viele Patienten machen zunächst einmal ihren Arzt dafür verantwortlich, wenn sie nicht wie früher das Originalpräparat erhalten oder das Antiallergikum selbst bezahlen müssen. Entsprechend groß ist der Ärger. Dann müssen die Berater sie über die Hintergründe aufklären.

Es hilft, die Menschen auf die entsprechenden Richtlinien verweisen zu können, weiß Berger. "Sie verstehen dann, dass der Arzt daran gebunden ist."

Nach Erfahrung der Berater wird die Arzt-Patienten-Kommunikation immer häufiger durch äußere Faktoren beeinträchtigt. "Die Gesamtauswertung der Anfragen zeigt die Fortsetzung eines Trends, wonach Laienpresse, Internet und mediale Berichterstattung wie auch die Informationspolitik von Krankenkassen nicht selten fehlerhafte Vorinformationen zur Folge hatten und die Kommunikation von Arzt und Patient bei immer engerer Zeittaktung zusätzlich erschwerten", heißt es im Jahresbericht der Patientenberatungsstelle.

Bei den Problemen im Arzt-Patienten-Verhältnis, die bei den Beratern in Westfalen-Lippe landeten, ging es 2015 in 48 Prozent der Fälle um das Verhalten des Arztes und in 23 Prozent um die Wartezeiten. Die Einsichtsrechte in die Patientenakte machten 17 Prozent dieser Kontakte aus, die Abrechnung von Leistungen 12 Prozent.

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