Versandhandel mit Arzneien

Gegenwind für Gröhes Verbotsvorstoß

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) stößt mit seinem geplanten Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen (Rx-)Arzneimitteln weiter auf massiven Widerstand – vor allem durch Krankenkassen.

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Der Streit um das geplante Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln beschäftigt am Mittwoch voraussichtich auch den Koalitionsausschuss.

Der Streit um das geplante Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln beschäftigt am Mittwoch voraussichtich auch den Koalitionsausschuss.

© Visionär / Fotolia

BERLIN. Einer der härtesten Kritiker des geplanten Rx-Versandhandelsverbots ist derzeit der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Und bei Justiz-, Finanz- und Wirtschaftsministerium bestehen weiterhin europarechtliche Bedenken. Ebenfalls wenig überzeugt ist SPD. Dem Vernehmen nach will sich der Koalitionsausschuss nun am Mittwoch mit dem umstrittenen Gesetzentwurf von Gröhe befassen. Denn die Zeit, das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im September zu verabschieden, wird knapp.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte aktuell gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: "Gerade für Menschen auf dem Land mit langen Wegen zu niedergelassenen Apotheken kann der Versandhandel die Versorgung verbessern." Bei dem Verbot "geht es wohl mehr um Lobbyinteressen der niedergelassenen Apotheker als um die Patienten."

SPD: kein Risiko für Apothekensterben

Aktuelle Zahlen

Nach Zahlen des Beratungsunternehmens QuintilesIMS wurden 2016 im Arzneimittel-Versandhandel in und nach Deutschland rund zwei Milliarden Euro (zu Apothekenverkaufspreisen ohne Abzug jeglicher Rabatte) umgesetzt.

93 Prozent der 113 Millionen verschickten Packungen entfielen auf OTC-Produkte, sieben Prozent auf rezeptpflichtige Produkte.

Der Anteil des Rx-Versandhandels am gesamten bundesdeutschen Rx-Apothekenmarkt, heißt es, betrage lediglich "je ein Prozent nach Absatz und Umsatz".

Die Markterhebung gründet sich auf ein Versandapotheken-Panel, in dem auch ausländische Anbieter enthalten sind.

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) äußerte wiederum in der "Rheinischen Post" am Montag: "Wir wollen den Versandhandel nicht völlig verbieten, da er gerade im ländlichen Raum und für chronisch kranke Menschen große Vorteile bringt. Deshalb sind wir derzeit in Gesprächen, um über eine geeignete Regelung Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden."

Es sei aber "befremdlich", dass in diesen Zeiten, in denen überall der Internet-Handel wachse, eine Sparte völlig ausgenommen werden solle. "Nach allen Untersuchungen, die wir haben, gehen wir nicht davon aus, dass durch den Online-Handel mit Arzneien Apotheken wegsterben würden", sagte Zypries.

In der Diskussion um Rx-Boni und ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hat sich die SPD zuvor bereits mit dem Vorschlag positioniert, rahmenvertraglich (§ 129 SGB V) einen Euro Bonus pro abgegebener Rx-Packung zu erlauben. Die Regelung sei zunächst auf zwei Jahre zu befristen. Währenddessen soll eine Expertenkommission Honorarentwicklung und Wettbewerbsverhältnisse im Apothekenmarkt evaluieren.

Grüne mit eigenem Vorschlag

Eine ähnliche Idee verfolgt offenbar die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. In einem Beschlussantrag zur Regelung von Arzneimittelpreisen sind die Grünen allerdings weit über die anhängige Diskussion um Rx-Boni, gleiche Wettbewerbsbedingungen für in- und ausländische Versandapotheken sowie ein Verbot des Rx-Versands hinausgegangen. Nicht nur wird von der Bundesregierung gefordert, das Gesetzesvorhaben, den Rx-Versand zu verbieten, ad acta zu legen. Vielmehr müsse auch "das Honorierungs- und Preissystem der Apotheken langfristig weiterentwickelt werden" – etwa durch Ablösung der bisherigen Festpreise durch Höchstpreise. Zudem sollten Rabatte und Boni bei einem Euro gedeckelt werden.

Auch das von Gröhes Parteifreund Wolfgang Schäuble geführte Finanzministerium brachte Bedenken vor. Deutschland könnte sich einer "EU-rechtlichen Staatshaftung aussetzen", sollte es das Verbot beschließen, heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums, die der dpa vorliegt.

Offenes Ohr für Gröhes Idee

Unterstützung erhält Gröhes Vorhaben neben den niedergelassenen Apothekern und ihrer Berufsvertretung ABDA unter anderen auch durch den Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH), den Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels und den Bundesverband klinikversorgender Apotheker. Pro Generika und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie plädieren wiederum für Ausnahmen bzw. gegen eine weitere Aushöhlung bei Preisvorschriften für Arzneimittel.

Auf Ärzteseite gab es zumindest aus Westfalen-Lippe und dem Saarland Unterstützung für Gröhe. So sprach sich der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Apothekerkammer in Westfalen-Lippe für ein Versandhandelsverbot aus. Und auch die Apotheker-, Ärzte- und Psychotherapeutenkammer, die KV, die jeweiligen Zahnärzte-Abteilungen und der Saarländische Apothekerverein warnten jüngst vor einer "lückenhaften Versorgung durch Rosinenpickerei" und forderten gesetzliche Konsequenzen. (dpa/run)

Rx-Versand

Mit dem Verbot des Rx-Versands will Gesundheitsminister Gröhe verhindern, das Versandapotheken einen Preiskampf im Rezeptgeschäft auslösen.

Die Möglichkeit dazu besteht, nachdem der Europäische Gerichtshof geurteilt hatte, dass sich ausländische Versender nicht an die deutsche Rx-Preisbindung halten müssen.

In der Folge könnten inländische Anbieter – Versandapotheken aber auch umsatzstarke Ladenapotheken – auf Benachteiligung im Wettbewerb klagen und das Recht einfordern, ebenfalls Rx-Boni gewähren zu dürfen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Versandverbot: Gröhe läuft die Zeit davon

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