Alternde Ärzteschaft

Die Lücken in der Hausarztmedizin wachsen

Gegenläufige Trends kennzeichnen die Bundesärztestatistik für 2016: Die Zahl der Ärzte erreicht ein neues Rekordhoch. Doch der Zuzug ausländischer Ärzte kompensiert die Probleme der Überalterung kaum.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Von links nach rechts: Vergleich der Jahre 2000 und 2005 sowie des Zeitraums von 2010 bis 2016.

Von links nach rechts: Vergleich der Jahre 2000 und 2005 sowie des Zeitraums von 2010 bis 2016.

© Ärzte Zeitung

BERLIN. Die Zahl der Ärzte in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr – Stichtag 31. Dezember – um rund zwei Prozent auf 378.607 erhöht. Das geht aus der neuen Ärztestatistik hervor, die die Bundesärztekammer (BÄK) am Montag vorgestellt hat. 194.401 Ärzte arbeiteten im Krankenhaus, knapp 152.000 im ambulanten Sektor. Niedergelassen waren im Vorjahr 119.641 Ärzte, ein Rückgang um 0,9 Prozent.

Aus Sicht der BÄK spiegeln diese Zahlen keine gesicherte Versorgung wider. Vielmehr gehe die Schere zwischen Behandlungsbedarf und Behandlungskapazitäten weiter auf. Das zeigt sich mit Blick auf Hausärzte. So stieg zwar die Zahl aller Facharztanerkennungen insgesamt im Vorjahr um rund 500 auf 12.763. In der Allgemeinmedizin und in der Inneren und Allgemeinmedizin sank ihre Zahl dagegen um 16 auf 1321. Der Anteil beträgt nur noch 10,35 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 waren es noch fast 16 Prozent.

Zugleich sind Hausärzte die Gruppe mit dem größten Anteil der über 60-Jährigen, nämlich 15.100. Damit ist für ein Drittel (34,62 Prozent) der Hausärzte der Ruhestand in Sichtweite. In anderen Fachgruppen ist diese Quote deutlich niedriger. Bei den Pädiatern sind 19 Prozent über 60 Jahre alt, bei den Gynäkologen rund 22 Prozent.

Die Ruhestandswelle schlägt sich in einer steigenden Zahl freier Hausarztsitze nieder. Diese hat um 603 auf bundesweit 2727 zugenommen, hat die KBV berichtet. Umgekehrt ist die Entwicklung bei den anderen Facharztgruppen. Hier ist die Zahl der Niederlassungsmöglichkeiten von 583 (2015) auf 484 gesunken.

"Unsere Gesellschaft altert, und die Ärzteschaft altert mit", erklärte BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery. Dass die Zahl der unter 35-jährigen leicht auf 18,8 Prozent aller berufstätigen Ärzte gestiegen ist, ändert am Gesamttrend wenig. Mitte der 90er Jahre war noch jeder vierte Arzt jünger als 35 Jahre.

Parallel zur demografischen Entwicklung verändern sich die Arbeitsverhältnisse vor allem in der ambulanten Versorgung dynamisch. Die Zahl der angestellten Ärzte nahm um zehn Prozent auf 32.348 zu. Das entspricht einer Verdoppelung in den vergangenen sieben Jahren. Bei fast zwei Dritteln der Angestellten handelt es sich um Ärztinnen (62,7 Prozent). Angesichts der zunehmenden Teilzeitarbeit seien mehr Ärzte nötig, um die gleiche Patientenzahl zu versorgen, mahnte Montgomery. Er bekräftigte die Forderung, die Studienplatzzahl in Humanmedizin um zehn Prozent aufzustocken.

Nur teilweise kompensiert werden kann dieser Trend durch den vermehrten Zuzug ausländischer Ärzte. Um fast zehn Prozent ist ihre Zahl gestiegen, und zwar auf 46.700. Am stärksten fällt der Zuzug aus Syrien (746), Rumänien (218), Russland (109) und Aserbaidschan (108) aus. Die größten ausländischen Ärztegruppen stammen aus Rumänien (4285), Griechenland (3118), Österreich (2600), Russland (2075) und Polen (2038). Damit hatten elf Prozent der berufstätigen Ärzte eine ausländische Staatsbürgerschaft.

2050 deutsche Ärzte kehrten im Vorjahr der Heimat zumindest zeitweise den Rücken und wanderten ab (2015: 2143). Die beliebtesten Zielländer blieben dabei die Schweiz (677) und Österreich (295).

Bei der Bundesagentur für Arbeit sind Ärzte rare Gäste, auf dem Arbeitsmarkt herrscht für sie praktisch Vollbeschäftigung. 1943 offene Stellen für Ärzte meldete die Bundesagentur Ende 2016. Das sind 136 mehr als noch im Jahr zuvor.

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