Aufsuchend aufklären

Strategien gegen Impfmüdigkeit gesucht

Mit kaum einer Maßnahme haben Ärzte in der Vergangenheit so viel erreicht wie mit Impfungen. Doch in Deutschland gibt es in allen Altersstufen und Regionen große Impflücken. Warum eigentlich?

Veröffentlicht:
Fordert mehr aufsuchende Impfaufklärung: Professor Norbert Brockmeyer vom Universitätsklinikum in Bochum.

Fordert mehr aufsuchende Impfaufklärung: Professor Norbert Brockmeyer vom Universitätsklinikum in Bochum.

© Stephanie Pilick

BERLIN. Verschließt der Gesetzgeber beim Thema Impfen die Augen? Keineswegs, stellte Dr. Sabine Reiter aus dem Bundesgesundheitsministerium beim Hauptstadtkongress klar. Das Präventionsgesetz zum Beispiel fördere durch eine Reihe von Maßnahmen die Impfprävention. So können etwa Krankenkassen Bonus-Leistungen für Impfungen vorsehen. Auch Betriebsärzte haben inzwischen die Möglichkeit, Schutzimpfungen vornehmen. Bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita muss ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden. Und beim Auftreten von Masern zum Beispiel in Kitas und Schulen können die zuständigen Behörden ungeimpfte Kinder vorübergehend ausschließen.

"Im Verhältnis zum Nutzen zu hoch" sind die Preise aus Sicht der Patientenvertreterin Dr. Ulrike Holtkamp von der Stiftung Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe. "Bei diesen Preisen würde ich erwarten, dass das Medikament einen Patienten heilen kann", sagte sie. Sie berichtete, dass Patienten zunehmend Probleme hätten, die Kosten erstattet zu bekommen.

Grau ist alle Gesetzestheorie, doch was passiert an der Basis? Beim Satellitensymposium von MSD Deutschland zum Thema "Strategien zur Verbesserung der Impfraten in Deutschland" stellte Catharina Maulbecker-Armstrong vom Hessischen Gesundheitsministerium in Wiesbaden ein erfolgversprechendes Impfprojekt zur HPV-Prävention vor.

In Hessen nehmen nur etwa 22 Prozent der Frauen die Chance einer vollständigen HPV-Impfung wahr. Ein im Herbst 2015 gestartetes Modellprojekt an der Bergstraße soll dazu beitragen, aufzuklären, um durch ein Impfangebot vor Ort bereits in den Grundschulen die Impfquoten zu steigern. Das Modell setzt bei Grundschülerinnen der vierten Klassen an. Bei Elternabenden informieren niedergelassene Ärzte ausführlich über die Impfung. Interessierte Eltern können ihre Töchter anschließend an einem Impftag in der Schule von den Ärzten impfen lassen. Die Evaluation zeige, dass das Konzept von Eltern akzeptiert und gut angenommen wird, sagte Maulbecker-Armstrong. Es soll jetzt ausgeweitet werden.

Professor Norbert Brockmeyer vom Universitätsklinikum in Bochum zeigte sich überzeugt, dass bei HPV die aufsuchende, niedrigschwellige Aufklärung dringend erforderlich sei. Mit Blick auf eine wirksame HPV-Prävention forderte er, Aufklärung breiter anzulegen und die Themen Impfen und sexuelle Gesundheit stärker miteinander zu verknüpfen. Tabus müssten abgebaut werden, das Sprechen über Sexualität sei intim und mache Angst. Brockmeyer: "Es gibt in Deutschland keine allgemeingültige Sprache für alles, was sich unterhalb der Unterhose befindet."

Dr. Klaus Schlüter von MSD Deutschland forderte, die Impfmüdigkeit generell ins Zentrum von Präventionspolitik zu stellen. Er wies darauf hin, dass das Impfen auch einen wirksamen Beitrag zur Überwindung von Antibiotikaresistenzen leisten kann. (fuh)

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“