Ambulante Versorgung

"Fachärzte sind nur mit wenigen Ausnahmen Grundversorger"

Der Spitzenverband der Fachärzte stellte kürzlich den Versorgungsauftrag der Hausärzte in Frage. Der Hausärzteverband reagierte empört. Nun schaltet sich Pädiater-Chef Dr. Thomas Fischbach ein – und erklärt im Interview, warum er nicht amüsiert ist.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Kinder- und Jugendärzte sind die Hausärzte der Kinder, das steht für den Berufsverband außer Frage.

Kinder- und Jugendärzte sind die Hausärzte der Kinder, das steht für den Berufsverband außer Frage.

© gpointstudio / Fotolia

Ärzte Zeitung: Derzeit findet eine heftige Debatte um die grundversorgenden Ärzte statt. Teilen Sie die Meinung des Spitzenverbands der Fachärzte, die Fachärzte auch als qualifizierte und legitime Grundversorger sehen?

Dr. Thomas Fischbach: Nein, diese Position teile ich ganz und gar nicht, weil Fachärzte mit Ausnahme der Gynäkologen und der Augenärzte keine grundversorgenden Ärzte sind. Neben den Kinder- und Jugendärzten sind das sozialrechtlich in erster Linie die Allgemeinärzte und Hausarzt-Internisten. Es ist wichtig, dass die Behandlung sich dort an einer Stelle zunächst einmal bündelt, dass nicht der Patient ungesteuert von einem Facharzt zum nächsten rennt, oftmals völlig jenseits einer Indikation. Dass sich jetzt plötzlich jede Fachgruppe als Grundversorger wähnt, ist aus berufspolitischer Sicht nachvollziehbar, aber unbegründet. Daher teilen wir hier die ablehnende Haltung des Deutschen Hausärzteverbandes nachdrücklich.

Dr. Thomas Fischbach

"Fachärzte sind nur mit wenigen Ausnahmen Grundversorger"

© BVKJ

Präsident des Kinder- und Jugendärzteverbands seit dem 1. November 2015

Mitglied der KBV-Vertreterversammlung

seit 1994 niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Solingen

Heißt das nicht aber auch, dass in der Regel grundsätzlich Kinder zunächst einmal in der hausärztlichen Ebene ganz generell beim Kinder- und Jugendarzt versorgt werden sollten?

Fischbach: Ganz klar ja. Dafür sind wir ausgebildet und vieles können wir selber heilen beziehungsweise behandeln. Wenn wir weitergehende fachärztliche Unterstützung brauchen, dann werden diese Kinder natürlich auch einem anderen Facharzt zugewiesen.

Mit der Kooperation zwischen dem BVKJ und dem Hausärzteverband war es in den vergangenen Jahren nicht zum Besten bestellt. Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, dass Sie daran arbeiten wollen. Sind schon erste Fortschritte erzielt worden?

Fischbach: Wir können sicherlich sagen, dass es zu einer gewissen Annäherung in entscheidenden Punkten gekommen ist. Wir haben uns sehr ernsthaft und konstruktiv mit Vertretern der wissenschaftlichen Allgemeinmedizin (DEGAM) und den Vertretern des Hausärzteverbandes zusammengesetzt und uns mehrfach auf höchster Ebene getroffen. Dabei ging und geht es zunächst um Fragen der studentischen Ausbildung- und fachärztlichen Weiterbildung, der Fortbildung und um das ganze Feld der Prävention inklusive des Impfwesens. Hier gibt es ganz viele Gemeinsamkeiten. Das Klima der Gespräche ist – übrigens auch unter Beteiligung aller pädiatrischen Fachgesellschaften – gut.

Wo konnte noch keine Annäherung erzielt werden?

Fischbach: Die Kinder und Jugendärzte sind die Hausärzte der Kinder. Das ist Inhalt unserer fachlichen Weiterbildung. Von daher rücken wir natürlich auch nicht von unserem Anspruch ab, besser für die Behandlung von Kinder und Jugendlichen qualifiziert zu sein. Natürlich werden viele Jugendliche auch beim Allgemeinarzt behandelt, und das ist auch in Ordnung. Zudem gibt es natürlich auch Regionen, wo die Pädiatrie recht schlecht vertreten ist, wo Allgemeinärzte auch kleinere Kinder versorgen müssen. Auch das ist in Ordnung, wenngleich die Allgemeinmedizin natürlich auch gerade dort schlecht vertreten ist, wo es zu wenige Pädiater gibt. Aber grundsätzlich sind wir die Hausärzte der Kinder und Jugendlichen und wir betrachten uns als Familienärzte, weil wir natürlich vom Kind aus auf die Familie schauen. Für uns ist das schon problematisch, wenn der Hausärzteverband die Familienmedizin primär für sich reklamiert.

Stichwort Bedarfsplanung: Der BVKJ kritisiert ja seit langem die nicht mehr zeitgemäße Bedarfsplanung gerade auch in Bezug auf die Anzahl und Verteilung von Kinder- und Jugendärzten in Deutschland. Wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Fischbach: Wir stehen hier vor dem Problem, dass sich einerseits immer weniger Kolleginnen und Kollegen niederlassen wollen und andererseits in den kommenden zehn Jahren die Babyboomer-Ärztegeneration in den Ruhestand eintreten wird. Wir erwarten vom Gemeinsamen Bundesausschuss daher eine vorausschauende Bedarfsplanung. Der GBA hat nun ein Gutachten in Auftrag gegeben, um neue Kriterien für den Bedarf festzuzurren. Das ist anscheinend "top secret", die dem Gutachten zugrundeliegenden Kriterien sind unbekannt. Wir würden aber daran gerne beteiligt sein, damit wir auch unsere Fachkompetenz mit einbringen könnten. Denn es muss sich gewaltig etwas tun.

Vor allem in der Pädiatrie besteht eine große Nachfrage nach Teilzeit-Beschäftigung und nach Anstellung statt einer Niederlassung. Übrigens nicht nur bei Frauen, sondern auch bei männlichen Kollegen, die auch nicht mehr bereit sind, bis zu 70 Stunden in der Woche zur Verfügung zu stehen. Es besteht schon allein deswegen und aus vielen weiteren Gründen, zum Beispiel neuen Morbiditäten, Verlagerung von der Klinik in den ambulanten Bereich, ein immens hoher Bedarf für mehr niedergelassene Pädiater.

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