"Zerstörung in Birma ist mit dem Tsunami vergleichbar"

MEINERSEN/HANNOVER (dpa). Wenn irgendwo auf der Erde eine Naturkatastrophe passiert, piept das Handy von Wolfgang Riske. Der 65 Jahre alte Arzt aus Meinersen in Niedersachsen arbeitet ehrenamtlich für die Hilfsorganisation humedica.

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Der Arzt Wolfgang Riske aus Meinersen in Niedersachsen (links) packt in einem Lager in der Hafenstadt Rangun Medikamente aus.

Der Arzt Wolfgang Riske aus Meinersen in Niedersachsen (links) packt in einem Lager in der Hafenstadt Rangun Medikamente aus.

© Foto: dpa

Als ihn per SMS die Meldung über das vom Zyklon "Nargis" verwüstete Birma erreichte, zögerte Riske keine Minute: "Innerhalb von eineinhalb Stunden war ich startklar. Meine Notarzttasche steht sowieso immer gepackt in der Ecke", erzählt er. Am Montag ist der Arzt todmüde und entkräftet von seinem siebentägigen Einsatz in Birma zurückgekehrt. "Ich muss jetzt erst mal schlafen und die Eindrücke verarbeiten."

Zusammen mit sechs weiteren humedica-Mitarbeitern half Riske bei der Erstversorgung von Opfern in der Stadt Rangun. Straßensperrungen durch das Militär in Birma verhinderten einen weiteren geplanten Einsatz. "Die Lage ist unvorstellbar, keines der Opfer im Katastrophengebiet ist ausreichend versorgt", sagt Riske. Vier humedica-Helfer sind noch im Krisengebiet im Einsatz.

Riske und die anderen Helfer mussten acht Tage warten, bevor sie in Birma einreisen konnten. Zeit, in der sie Leben hätten retten können. "Wir saßen in Bangkok fest. Die Warterei war extrem frustrierend. Wir standen sozusagen vor der Tür, aber keiner machte uns auf", erinnert sich Riske. Immerhin gelang es dem Ärzteteam mit Touristenvisum, ein "Medical Kit" mit speziellen Instrumenten sowie 400 Kilogramm Medikamente nach Birma einzuschmuggeln.

Per Fahrrad wurden Verletzte zur Behandlung gebracht

"Wir haben vor allem basismedizinische Hilfe geleistet, also typische Folgeerkrankungen der Katastrophe behandelt", berichtet der Mediziner. So verabreichten die Ärzte Antibiotika und Infusionen gegen Durchfall und Fieber. "Leider konnten wir nur in Rangun direkte Hilfe leisten. Patienten im besonders schlimm verwüsteten Irrawaddy-Delta konnten wir bisher nicht erreichen. Alle Straßen in den Süden des Landes wurden vom Militär abgesperrt", sagte Riske. Die Bewohner der zerstörten Dörfer brachten sogar auf Fahrrädern Verletzte zu den deutschen Ärzten. "Unsere Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und einheimischen Ärzten ist dabei extrem wichtig, denn im Gegensatz zu uns dürfen sie sich frei im Land bewegen", erklärt der Arzt.

Besonders schlimme Folgen hat der Zyklon im Irrawaddy-Delta süd- westlich der Stadt Rangun hinterlassen. "Die Ausmaße der Zerstörung sind definitiv vergleichbar mit dem Tsunami", sagte humedica-Sprecher Steffen Richter in Kaufbeuren. Die Folgen seien vielleicht sogar noch schlimmer.

Auf die Praxisvertreter hat sich Riske stets verlassen können

Insgesamt arbeiten 700 ehrenamtliche Helfer in 90 Ländern für die Hilfsorganisation humedica. "Mein erster Einsatz war im Erdbebengebiet im kolumbischen Armenia vor neun Jahren", erinnert sich Riske. Während der Einsätze habe er sich stets auf Kollegen, die seine Praxis während seiner Abwesenheit weiterführten, verlassen können. "Unter Ärzten ist man an Notfälle gewöhnt. Manche führen einen eben etwas weiter von zu Hause weg", sagt er. Auch seine Frau stehe hinter ihm.

STICHWORT

Hilfe für Birma

Drei Wochen nach dem verheerenden Zyklon hat Birma seinen Widerstand gegen Helfer aus dem Ausland aufgegeben. Die Föderation der Rotkreuzorganisationen reagierte zunächst mit Zurückhaltung. Die birmanischen Behörden hatten bislang nur wenige Dutzend ausländische Helfer ins Land gelassen. Sie mussten alle in Rangun bleiben, während Hilfe im Katastrophengebiet nur von Einheimischen verteilt werden durfte. Im Irrawaddy-Delta warten noch immer 2,4 Millionen Menschen auf Hilfe. Bei dem Zyklon waren nach offiziellen Angaben 78 000 Menschen gestorben.

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