Allgemeinmedizin ist für Ärzte in den USA wenig lukrativ

In den USA werden in den nächsten zehn Jahren vermutlich 40 000 Allgemeinmediziner fehlen. Ein Grund: Fachärzte verdienen das Doppelte.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:

WASHINGTON. Wenigstens 30 Millionen nicht-versicherte US-Amerikaner sollen Zugang zum Versorgungssystem erhalten, wenn in den USA eine Gesundheitsreform Wirklichkeit wird. Die Frage ist: Hat das Land genug Ärzte, die dann deutlich höhere Zahl an Patienten zu betreuen?

Die American Academy of Family Physicians (AAFP) zweifelt daran. Sie sagt für die kommenden zehn Jahre allein in der Primärmedizin ein Defizit von 40 000 Ärzten voraus. Bestätigt wird diese Prognose von der Association of American Medical Colleges (AAMC), die bis 2025 eine Unterversorgung von 160 000 Ärzten aller Fachrichtungen fürchtet.

Schon heute fehlen in vielen Regionen Mediziner - vor allem auf dem Land. Ein Problem, das es zu lösen gilt, ist die fehlende Motivation junger Ärzte, in die Allgemeinmedizin zu gehen. Nur rund ein Drittel der amerikanischen Ärzte praktiziert derzeit als Allgemeinmediziner - wesentlich weniger als in den meisten anderen Industrieländern. Ein Grund dafür: Amerikanische Hausärzte verdienen mit durchschnittlich 173 000 US-Dollar weniger als die Hälfte dessen, was zum Beispiel Kardiologen und andere Spezialisten an Einkommen verzeichnen. Diese Diskrepanz spielt bei der Fachentscheidung eine erhebliche Rolle, zumal amerikanische Nachwuchsmediziner mit durchschnittlich 140 000 Dollar Studienschulden ins Berufsleben starten.

Dr. Ted Epperly, Hausarzt und Präsident der AAFP, ist der Meinung, dass Allgemeinmediziner wenigstens 30 Prozent mehr verdienen müssten, um Nachwuchsärzte in die Primärversorgung zu locken. Eine solche Einkommensverbesserung sehen die derzeit im Kongress erwogenen Reformvorlagen allerdings nicht vor. Sie enthalten aber zumindest einen Einkommensbonus von zehn Prozent über fünf Jahre - eine Geste, die Epperly "wenigstens einen Schritt in die richtige Richtung" nennt.

Ein weiteres Problem ist die Zahl der Assistenzarztstellen an amerikanischen Lehrkrankenhäusern. Im Bestreben Kosten zu senken, hat der Kongress 1997 die Zahl der öffentlich finanzierten Stellen eingefroren. Seitdem ist aber die US-Bevölkerung um mehr als 30 Millionen gewachsen. Jetzt würden die Reformpläne nochmals eine ähnlich hohe Zahl zusätzlich Versicherter nach sich ziehen.

Die Lobby der Lehrkrankenhäuser hatte gehofft, im Rahmen einer Reform 15 000 zusätzliche Assistenzarztstellen durchzusetzen. Dieser Vorstoß kam aber auf Grund von Kostenbedenken nicht weit. Die derzeitigen Reformvorlagen sehen lediglich eine Umverteilung nicht genutzter Assistenzarztstellen zugunsten der Ausbildung von Primärmedizinern vor. Dies nennt Dr. Darrel Kirch, Vorsitzender der AAMC, "einen Tropfen auf den heißen Stein".

Vertreter der Regierung verteidigen die Reformpläne jedoch. Sie verweisen darauf, dass zusätzlich zum Bonus für Allgemeinmediziner Anreize in Form von Stipendien, Studentendarlehen und -finanzhilfen vorgesehen sind. In einem Pilotprojekt, dem sogenannten "Medical Home Pilot", sollen Allgemeinmediziner außerdem mehr Geld erhalten, wenn sie die Behandlung ihrer Patienten effizient koordinieren. Ob diese Maßnahmen jedoch ausreichen, den prognostizierten Ärztemangel abzuwenden, ist ungewiss.

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