Spanien will Schub für EU-Gesundheitspolitik

Staffelstab-Übergabe in der EU: Nach Schweden hat nun Spanien die EU-Ratspräsidentschaft inne. Vom Verhandlungsgeschick der Spanier wird es abhängen, wie der Kampf gegen gefälschte Arzneimittel und der Einsatz von E-Health-Technologien vorankommt.

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:
Krank während des Mallorca-Urlaubs: Bei der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Versorgung hat Spanien die Verhandlungen blockiert. © imago

Krank während des Mallorca-Urlaubs: Bei der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Versorgung hat Spanien die Verhandlungen blockiert. © imago

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BRÜSSEL. Als erstes EU-Land übernimmt Spanien mit dem neuen dauerhaften EU-Ratspräsidenten Herman van Rumpuy die Verhandlungsführung bei den Treffen der Regierungsmitglieder der 27 EU-Staaten in den kommenden sechs Monaten.

Das Verhandlungsgeschick der Spanier wird dabei nicht nur in der "großen" EU-Politik, wie die Bekämpfung der Wirtschaftskrise, sondern auch in der Gesundheitspolitik gefordert sein. Denn die schwedische Regierung, die den Rat bis Ende Dezember geleitet hat, konnte nicht alle ihre Vorhaben zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Zwar gelang es unter schwedischer Präsidentschaft, den Lissabon-Vertrag in Kraft zu setzen. Den nationalen Parlamenten eröffnen sich dadurch auch bei gesundheitspolitischen Entscheidungen mehr demokratische Einflussmöglichkeiten auf EU-Ebene.

Spanien hat nun ein straffes Arbeitsprogramm vor sich: Oben auf der Agenda steht die geplante EU-Richtlinie zur Qualität und Sicherheit von Organtransplantationen. Dort einen Konsens zu erzielen, dürfte nicht einfach sein. Denn das von der EU-Kommission angestoßene Gesetzgebungsvorhaben stößt unter anderem in Deutschland auf Kritik. So fürchten Interessenvertreter wie die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, dass die etablierten Selbstverwaltungsstrukturen bei der Organspende und -transplantation einheitlichen EU-Vorschriften zum Opfer fallen könnten.

Geplant ist ferner, den EU-weiten Einsatz von E-Health-Technologien voranzutreiben und Fortschritte bei den Verhandlungen über gesetzliche Vorschriften im Umgang mit gefälschten Arzneimitteln sowie im Bereich Pharmakovigilanz zu erzielen.

Die EU-Gesundheitsminister konnten im vergangenen Jahr zeigen, dass sie schnell und effizient auf plötzliche Gesundheitsgefahren reagieren können: Unter der Führung Schwedens einigten sich die Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Strategie gegen die Ausbreitung des H1N1-Virus. Aber selbst schwedische Fachleute aus dem Gesundheitswesen, wie die in Brüssel tätige gesundheitspolitische Analystin Kajsa Wilhelmsson, bezeichnen die Bilanz der letzten sechs Monate als "dürftig".

"Der schwedischen Regierung ist es nicht gelungen, Vorhaben mit weitreichender Bedeutung für die europäischen Patienten und Gesundheitsdienstleister durchzusetzen", so Wilhelmsson.

So war es Schweden nicht möglich, die EU-Regierungen auf eine einheitliche politische Linie zur Richtlinie zu den Rechten der Patienten bei der grenzüberschreitenden medizinischen Versorgung festzulegen. Zunächst hatte es zwar so ausgesehen, als wäre eine Einigung machbar. Beim letzten Treffen der Gesundheitsminister Anfang Dezember vergangenen Jahres gelang es aber der spanischen Regierung mit Unterstützung von Griechenland, Portugal, Polen, Litauen, Rumänien und der Slowakei, einen Konsens zu verhindern.

Grund: Die Spanier fürchten, dass eine gesetzliche Verpflichtung zur Kostenübernahme von Auslandsbehandlungen das heimische Gesundheitssystem überfordern könnte. Viele gerade ältere EU-Ausländer ihren Wohnsitz in Spanien und somit auch dort ihren Krankenversicherungsschutz. Zwar soll unter spanischer Präsidentschaft weiter über das Vorhaben diskutiert werden. Ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist aber bereits jetzt in weite Ferne gerückt.

Bei den geplanten Vorschriften zur öffentlichen Information über verschreibungspflichtige Arzneimittel konnten die Skandinavier ebenfalls keine Fortschritte erzielen. Das Vorhaben wurde auf Eis gelegt.

Immerhin haben sich die Mitgliedstaaten Ende Dezember dazu verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren nationale Gesetze gegen das Rauchen am Arbeitsplatz sowie in öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln zu erlassen. Darüber hinaus wollen die Staaten enger bei der Forschung über neurodegenerative Erkrankungen und deren Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zusammenarbeiten.

Auch erklärten sich die Mitgliedstaaten unter schwedischer Ägide bereit, verstärkt innovative Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika zu setzen, um einer weiteren Ausbreitung multiresistenter Erreger entgegen zu wirken. Die spanische Regierung hat sich vorgenommen, an diese Ergebnisse anzuknüpfen. Spanien leitete die EU in der Triopräsidentschaft mit Belgien, die ab Juli den Vorsitz übernehmen, und Ungarn, die ab Januar 2011 das Sagen haben.

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