Hintergrund

Schwerer Rückschlag für Haiti: Die Cholera bahnt sich ihren Weg

Dem von einem schweren Erdbeben getroffenen Haiti droht neues Ungemach. Seit vergangener Woche bahnt sich eine Cholera-Epidemie an. Westliche Helfer vor Ort versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

Von Pete Smith und Matthias WallenfelsMatthias Wallenfels Veröffentlicht:
Engpässe durch Cholera: Kinder werden vor einer Klinik behandelt.

Engpässe durch Cholera: Kinder werden vor einer Klinik behandelt.

© dpa

Neun Monate nach dem verheerenden Erdbeben mit mehr als 250 000 Toten (wir berichteten) ist in Haiti die Cholera ausgebrochen. Wie Regierung und Hilfsorganisationen bestätigten, hat allein die Region Artibonite nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince mehr als 250 Cholera-Tote (Zahl bei Redaktionsschluss) verzeichnet, 3000 Infizierte seien in völlig überfüllte Kliniken eingeliefert worden. Nach Medienberichten gab es auch in Port-au-Prince bereits die ersten Cholera-Fälle.

"Die Folge wird fürchterlich sein", sagte Virginia Ubik, Länderdirektorin der internationalen Hilfsorganisation Care in Haiti. "Die Menschen leben hier so nah beieinander, dass sich die Cholera sehr schnell ausbreiten kann. Die Hygiene in den Lagern ist nicht ausreichend, die Menschen sind dadurch sehr anfällig für Krankheiten und Seuchen. Zum Glück hatten wir bislang noch keinen Seuchenausbruch seit dem Erdbeben, aber wer weiß, was jetzt passieren wird."

Care hat eigenen Angaben zufolge sofort damit begonnen, seine Mitarbeiter in Haiti über entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu informieren. Die Mitarbeiter im Büro Gonaives, das in der Nähe von Artibonite liegt, bereiteten eine Hygienekampagne für die Einwohner vor.

Zudem habe man unmittelbar nach Bekanntwerden des Cholera-Ausbruchs Wasserreinigungstabletten und Hygieneartikel bestellt. Derzeit prüfe man, mit welchen Kosten für Medikamente zu rechnen ist, nachdem die Cholera die Hauptstadt erreicht hat. In allen Wiederaufbauprojekten weise man die Beteiligten darauf hin, sich regelmäßig die Hände zu waschen.

Die Kliniken sind mit der Situation völlig überfordert, berichtet der US-Sender ABC. Alle Betten seien belegt, auch fiebernde Patienten müssten auf dem Boden ausharren.

Vor dem Saint Nicolas Hospital warteten Hunderte verzweifelte Menschen mit ihren kranken Angehörigen auf Einlass. Einige Patienten seien bereits auf dem Weg dorthin kollabiert.

Haitis Präsident René Préval sagte, seine Regierung ergreife Maßnahmen, um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Inzwischen wurde auch die Weltgesundheitsorganisation informiert.

Erschwert wird die Situation der Menschen durch die Folgen eines schweren Sturms, der fünf Menschen tötete und etliche Flüchtlingszelte beschädigte. Wie das Deutsche Rote Kreuz mitteilt, haben mindestens 2000 Familien durch die Sturmböen ihre Schlafstätten verloren. Das DRK bemühe sich um schnellen Ersatz.

Die pan-amerikanische Gesundheitsorganisation berichtet, dass in Folge des Erdbebens vom 12. Januar dieses Jahres noch immer 1,3 Millionen Menschen in provisorischen Unterkünften leben.

Auch das Hilfswerk Caritas international hat nach eigenen Angaben Vorsichtsmaßnahmen in seinen Hilfsprojekten vor Ort getroffen. Dessen medizinischer Berater Dr. Joost Butenop sieht gute Chancen, die Epidemie bei richtiger Behandlung und Einhaltung hygienischer Standards in den Griff zu bekommen: "Wichtig ist, die Infektionskette zu unterbrechen. Dazu müssen die Cholera-Fälle erkannt, Betroffene adäquat behandelt und die Bevölkerung über die Epidemie aufgeklärt werden."

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