Polen gehen die Ärzte aus

Im Nachbarland gibt es zu wenige Medizinstudenten. Zudem sind Ärzte knapp, die auf dem Land arbeiten wollen. Vertreter von Verbänden schlagen Alarm.

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Polens Ärzte wandern aus und es scheint keine Besserung in Sicht.

Polens Ärzte wandern aus und es scheint keine Besserung in Sicht.

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DRESDEN/WARSCHAU (tt). In den an Tschechien und Sachsen angrenzenden Woiwodschaften Schlesien und Niederschlesien rechnen Vertreter der Ärztekammern für die kommenden Jahre damit, dass sich die ärztliche Versorgungssituation verschärft.

Grund ist die geringe Zahl an Ärzten und Medizinstudenten, die anhaltende Abwanderung medizinischen Fachpersonals und ein steigendes Durchschnittsalter in der weitgehend ländlichen Region.

Polen meist unter EU-Durchschnitt

Das geht aus einer Analyse hervor, die Jacek Kozakiewicz von der Schlesischen Ärztekammer mit Jacek Chodorski von der Niederschlesischen Kammer beim Deutsch-Polnischen Symposium vorgestellt haben. In Schlesien und Niederschlesien wohnt ein Fünftel aller Polen.

Beide Ärztevertreter verwiesen darauf, dass Polen bei fast allen Kennzahlen zum Medizinpersonal unter dem EU-Durchschnitt liegt. Das sei besorgniserregend, weil in Polen die Lebenserwartung und die Morbidität steigen.

Auffallend sei zudem die niedrige Lebenserwartung von Ärzten, vor allem von Ärztinnen. So liege die Lebenserwartung schlesischer Ärztinnen acht Jahre unter der ihrer Patientinnen, in Niederschlesien sind es sogar zehn Jahre.

Vor allem Hausärzte werden knapp

Mehr Ärzte würden in allen Bereichen benötigt, vor allem aber in der hausärztlichen Versorgung. OECD-Daten zufolge gibt es in Europa fast nirgendwo so wenig Hausärzte wie in Polen: Auf 1000 Einwohner kommen 0,2 Praxen, in Deutschland sind es sieben Mal soviele.

Bei Fachärzten erreicht Polen mit 1,7 auf 1.000 Bewohner fast den EU-Schnitt von 2,0. In Deutschland sind es 2,2 Fachärzte.

6,7 Medizinstudenten pro 100.000 Einwohner

Eine Besserung scheint nicht in Sicht - das lässt die Entwicklung an polnischen Medizin-Fakultäten befürchten. Im Landesschnitt kamen 2007 rund 6,7 Medizinstudenten auf 100.000 Einwohner, etwas mehr als halb so viele wie in Deutschland.

Manche westliche EU-Länder haben bei den Studienzahlen ähnlich schlechte Daten vorzuweisen, darunter Frankreich und Finnland - im Gegensatz zu Polen können sie migrierenden Ärzten aber attraktive Löhne bieten und damit das Defizit ausgleichen.

Viele polnischen Ärzte wandern nach Sachsen aus

In Polen, so Chodorski, ist hingegen damit zu rechnen, dass die hohe Abwanderung von Ärzten ins Ausland den Zugang zu medizinischen Leistungen für die Bevölkerung verschlechtern wird. Viele polnische Ärzte wandern nach Sachsen aus, sie stellen dort den größten Anteil der ausländischen Ärzte.

"Es ist äußerst wichtig", erklärten die polnischen Ärztevertreter, "den Bedarf an Ärzten in bestimmten medizinischen Bereichen zu überwachen, um so der Öffentlichkeit eine optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten".

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