Obamacare

Vom Schimpfwort zum Ehrenzeichen

Mit der Nominierung von Mitt Romney von den Republikanern und Amtsinhaber Barack Obama ist die heiße Wahlkampf-Phase um das Amt des US-Präsidenten eingeläutet. Erneut im Mittelpunkt: Die Gesundheitsreform. Jetzt versuchen die Demokraten, den Spieß umzudrehen.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Veter der "Versicherung für alle": US-Präsident Barack Obama aus dem Parteitag der Demokraten.

Veter der "Versicherung für alle": US-Präsident Barack Obama aus dem Parteitag der Demokraten.

© Tannen Maury / epa / dpa

CHARLOTTE. Die US-Demokraten sind auf ihrem Parteitag in die gesundheitspolitische Offensive gegangen.

Sie stellten die Verteidigung der Gesundheitsreform in den Mittelpunkt ihrer Agenda und nutzten dabei eine interessante Strategie: Sie unterstrichen, dass der Begriff "Obamacare" nun kein Schimpfwort mehr sein soll.

Ursprünglich von Obama-Gegnern genutzt, um die Reform des Präsidenten in Verruf zu bringen, soll das inzwischen wohlbekannte Wort nun den Demokraten bei der Wiederwahl helfen.

"Für uns Demokraten ist Obamacare ein Ehrenzeichen", sagte Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius zum Auftakt des Parteitags. Sie und andere Redner nutzten die Gunst der Stunde, die Reformerrungenschaften herauszustellen.

Sieben Präsidenten hätten in der Vergangenheit versucht, die Gesundheitsversorgung auf alle Amerikaner auszuweiten, sagte Hauptredner Julian Castro, Bürgermeister von San Antonio.

"Obama hat es geschafft." In seiner Nominierungsrede für Obama erwähnte der ehemalige US-Präsident Bill Clinton dann zwar nicht sein eigenes Scheitern im Jahr 1994.

Er unterstrich aber ebenfalls, dass Obamas Reformerfolg Hilfe für Millionen von Landsleuten gebracht habe: für Millionen von jungen Erwachsenen, die weiter bei ihren Eltern mitversichert sein können, für Millionen von Senioren, die jetzt Zugang zu (kostenfreien) Vorsorgeuntersuchungen genießen, für Millionen von Amerikanern mit Vorerkrankungen, die bald nicht mehr von Versicherungen abgewiesen werden dürfen.

Republikaner wollen Reform zurückdrehen

Eine völlig unbekannte Parteitagsrednerin rührte die Delegierten zu Tränen: Stacey Lihn, Mutter eines Kleinkindes mit schwerem Herzfehler, berichtete davon, dass ihre Tochter, die bereits zwei Herzoperationen hinter sich hat, ohne Obamas Reform schon bald ihr Versicherungs-Limit erreicht hätte.

Versicherungen konnten vor der Reform fixe Grenzen dafür setzen, was sie maximal für einen Patienten ausgeben würden - sogenannte "lifetime limits/caps". Die Gesundheitsreform verbietet seit 2010 solche Auszahlungsgrenzen.

"Obamacare hat meiner Familie Sicherheit und Erleichterung beschert", sagte Lihn vor den Delegierten.

Sie fuhr fort, dass sie sich jedoch täglich Sorgen mache: darüber, dass Obama-Kontrahent Mitt Romney gewählt werde und Obamacare rückgängig machen könnte.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney will die Gesundheitsreform in der Tat revidieren und durch bislang weitgehend unbekannten Maßnahmen ersetzen.

Bei seiner Antrittsrede auf dem Parteitag der Republikaner erwähnte er die Gesundheitspolitik zwar nur kurz. Doch Romney hat wiederholt versprochen, als Präsident schon am ersten Amtstag eine Verordnung zu erlassen, die es den Bundesstaaten ermöglichen werde, Obamacare zu umgehen.

Er will den Staaten die Freiheit geben, ihre eigenen Reformen zu verabschieden, will den Wettbewerb zwischen Versicherungen stärken und Versicherte zu kosten- und qualitätsbewussterem Verhalten animieren.

Romney - Gegner seines "eigenen" Projekts?

Romneys konservativer Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan ist außerdem für seinen Haushaltssparplan im Repräsentantenhaus bekannt, der unter anderem die Seniorenversicherung Medicare umkrempeln will.

Nach Ryans Vorstellungen sollen Senioren in Zukunft fixe Zahlungen vom Staat erhalten und sich dann eine Versicherung aussuchen, die ihren Vorstellungen und ihrem Geldbeutel entspricht.

Im Wahlkampf haben sich die Republikaner zu Details bedeckt gehalten - wohl wissend, dass dies viele ältere Wähler in Angst und Schrecken versetzen könnte.

Romney und Obama werden in den nächsten zwei Monaten versuchen, die gesundheitspolitischen Schwächen des Gegners auszunutzen. Romney wird die Wähler daran erinnern, wieviele Milliarden Dollar Obamas Reform verschlingt.

Er wird ihnen außerdem in Erinnerung rufen, dass die Regierung ab 2014 die meisten Landsleute zwingen wird sich zu versichern.

Die allgemeine Versicherungspflicht ist Meinungsumfragen zufolge bei weitem das unbeliebteste Element von "Obamacare" und wird von den Demokraten gern heruntergespielt.

Obama wird im Gegenzug fragen, wie genau Romney denn "Obamacare" zu ersetzen gedenkt. Und er wird genüsslich fragen, warum Romney als Gouverneur von Massachusetts die Reformen einführte, die er jetzt auf nationaler Ebene loswerden will.

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