USA

Ärzte wollen weniger Kaiserschnitte

US-Frauenarztverbände fordern mehr Geduld bei Geburten. So seien unnötige Sectiones zu vermeiden.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:

SEATTLE. Die Vereinigten Staaten haben eine noch höhere Kaiserschnittrate als Deutschland: Praktisch jedes dritte amerikanische Kind wird per Sectio entbunden.

Zwei anerkannte Gynäkologenverbände haben jetzt ihre Mitglieder dazu aufgerufen, bei Geburten mehr Geduld walten zu lassen.

Ohne Zweifel retten Kaiserschnitte oft Leben. Sie sind aber nicht ohne Risiken, vor allem für die Schwangeren: Bei oder nach Sectio-Geburten sterben dreimal so viele Mütter wie nach Vaginalgeburten, nämlich 13 pro 100.000 Geburten.

Mit jedem Kaiserschnitt steigt das Komplikationsrisiko für die Entbindende. Da heute 60 Prozent aller Sectios in den USA bei einer ersten Schwangerschaft angewandt werden, sind höhere Risiken in der Zukunft programmiert.

Wie unnötige Kaiserschnitte vor allem bei Erstgeburten vermieden werden können, ist in der Märzausgabe der Zeitschrift "Obstetrics & Gynecology" zu lesen.

Bisherige Richtlinien korrigiert

Die gemeinsamen Empfehlungen des American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) und der Society for Maternal-Fetal Medicine (SMFM) korrigieren viele bisherige Richtlinien.

Einer der Autoren der neuen Standards, Dr. Aaron Caughey von der Oregon Health and Sciences University, formuliert es so: "Der Geburtsprozess dauert länger, als wir in der Vergangenheit angenommen haben. Viele Frauen brauchen einfach ein bisschen mehr Zeit (…) und können dann vaginal entbinden, statt einem Kaiserschnitt unterworfen zu werden." Caughey und Kollegen empfehlen:

- Die frühe oder "latente" Wehenphase soll länger dauern dürfen als bisher. Frühere US-Richtlinien hatten eine latente Wehenphase, die bei Erstgebärenden über 20 Stunden lang dauerte (bei Wiedergebärenden 14 Stunden) als nicht normal erklärt. Laut Caughey ist aber in der Frühphase auch eine Dauer von drei bis vier Tagen kein Grund zur Panik oder zum Kaiserschnitt.

- Der Eintritt in die "aktive" Wehenphase beginnt nach den neuen Richtlinien später, nämlich wenn der Muttermund sechs Zentimeter geöffnet ist. Bisher wurde schon eine Zervix-öffnung von vier Zentimetern als Beginn der "aktiven" Phase bezeichnet.

- Auch in der "aktiven" Phase soll den Gebärenden mehr Zeit als bisher gegeben werden. Erstgebärenden sollen wenigstens drei Stunden Zeit zum Pressen erhalten, Wiedergebärende zwei Stunden. Bei Anwendung einer Epiduralanästhesie soll die Pressphase noch länger dauern dürfen.

- Stockt der Geburtsvorgang, ist nach den neuen Empfehlungen die Anwendung von Hilfsmitteln, die eine Vaginalgeburt ermöglichen, wie eine Geburtszange, unter Umständen einer Sectio vorzuziehen.

Die Organisation Lamaze International, die schon seit langem natürliche Geburten befürwortet, begrüßte die neuen Richtlinien enthusiastisch. Nun gelte es, auch Schwangeren ein besseres Verständnis zu vermitteln, was ein "normaler Wehenvorgang" sei, meinte Lamaze-Präsidentin Michele Ondeck.

In manchen Situationen bleibe der Kaiserschnitt die beste Alternative, betonte SMFM-Präsident Dr. Vincenzo Berghella. Er riet den Ärzten, Risiken und Vorteile sorgfältig abzuwägen.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System