US-Veteranen

Skandal um lange Wartezeiten

Seit Wochen sorgt ein Skandal um überlange Wartezeiten für Ex-Soldaten in den USA für Schlagzeilen: Sie müssen Monate auf einen Termin in der Klinik warten. Damit das nicht auffiel, haben Krankenhäuser die Wartelisten gefälscht.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Typische US-Klinik für Veteranen (hier in Texas). Viele der Einrichtungen prüfen nach den Enthüllungen ihre Wartelisten.

Typische US-Klinik für Veteranen (hier in Texas). Viele der Einrichtungen prüfen nach den Enthüllungen ihre Wartelisten.

© David Pike / Valley Morning Star / AP Photo / dpa

WASHINGTON. Sind Dutzende von ehemaligen US-Soldaten gestorben, weil sie monatelang auf einen Arzttermin in einer Veteranenklinik in Phoenix warten mussten? Ein "Whistleblower" hat Ende April über dieses Thema berichtet, die Aufregung ist groß.

Zum politischen Skandal wurde die Sache, als klar wurde, dass das Krankenhaus Hunderte von potenziellen Patienten auf inoffiziellen Wartelisten versteckte. Das Management kaschierte damit die langen Wartezeiten und kassierte Boni und Gehaltserhöhungen dafür, Zugangsbenchmarks erreicht zu haben.

Seitdem hat eine interne Untersuchung ergeben, dass die kriminelle Verschleierung von Wartezeiten weit verbreitet ist und die strengen Standards für schnellen Versorgungszugang utopisch sind. Ein bedeutender Kopf ist schon gerollt: Der Minister für "Veteran Affairs" (VA), Eric Shinseki, ist unter Druck beider Parteien zurückgetreten.

Dass die Missstände jetzt zum Skandal hochgekocht sind, ist interessant: Das Problem mit verschleierten Wartezeiten ist nämlich keineswegs neu. Enthüllungsjournalist Chris Adams, der für das Nachrichtenportal "McClatchy DC" in der Bundeshauptstadt Washington, arbeitet, hat vor Kurzem daran erinnert, dass interne VA-Inspektionen schon vor einem Jahrzehnt Unregelmäßigkeiten in der Terminvergabe fanden.

2005 hieß es in einem Bericht, die Verhüllung von Wartezeiten sei weit verbreitet. 41 Prozent der Arzt- und Kliniktermine enthielten demnach "Fehler". Üblich war zum Beispiel, den nächsten offenen Termin als den vom Patienten "erwünschten" Termin zu deklarieren - eine Praxis, die offizielle Wartezeiten gänzlich eliminierte.

Auch inoffizielle Wartelisten waren damals bereits entdeckt worden. McClatchy berichtete im Jahr 2007 über die Missstände, die Sache wurde im Kongress diskutiert, erhielt aber nicht die Aufmerksamkeit wie die jüngsten Anschuldigungen.

Es bedurfte offensichtlich des Vorwurfs, dass Ex-Soldaten in der versteckten Warteschleife den Tod gefunden hatten, um die Öffentlichkeit zu alarmieren und politische Aktion in Gang zu setzen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Militärangehörige genießen in den Vereinigten Staaten ein hohes Ansehen, oft sogar Heldenstatus. Weder Präsident Obama noch die Volksvertreter beider Parteien können es sich leisten, gleichgültig zu erscheinen, wenn es um die Gesundheitsversorgung der Kriegsveteranen geht. Das erklärt denn auch die prompte "Enthauptung" des zuständigen Ministers sowie die Serie von Gesetzesvorlagen, die jetzt im Parlament debattiert werden.

Traurig, aber nicht überraschend ist es, dass einige Abgeordnete zusätzlich versuchen, politisches Kapital aus der Situation zu ziehen. Angehörige beider Parteien haben ihre Konkurrenten in den kommenden Kongresswahlen beschuldigt, in der Vergangenheit entweder keine Gelder für die Veteranenbehörde bewilligt oder gegen andere einschlägige Vorlagen abgestimmt zu haben.

Ebenfalls unglücklich ist es, dass der Skandal die Öffentlichkeit in den Glauben versetzt hat, dass die Gesundheitsversorgung ihrer Ex-Soldaten insgesamt nichts taugt.

Nur 20 Prozent meinten Ende Mai/Anfang Juni, dass die Regierung ihren aus Irak und Afghanistan zurückkehrenden Truppen eine gute bis exzellente Gesundheitsversorgung biete. Über 70 Prozent waren dagegen der Meinung, die medizinische Versorgung sei lediglich zufriedenstellend oder mangelhaft, ergab eine Umfrage für die Tageszeitung USA Today.

Der durchweg schlechte Ruf des Gesundheitssystems für Veteranen ist aber keineswegs gerechtfertigt. Zwar ist der Zugang problematisch: Die 151 VA-Kliniken, 820 Gruppenpraxen und 300 Veteranenzentren sind offensichtlich überfordert, den fast neun Millionen eingeschriebenen Ex-Soldaten zeitgerechten Versorgungszutritt zu verschaffen.

Wer diese Hürde allerdings einmal genommen hat, ist in aller Regel mit den medizinischen Leistungen sehr zufrieden. So gaben die Veteranen ihrer Gesundheitsversorgung noch im letzten Jahr gute Noten: Auf einer Skala von 0 bis 100 erhielten die VA-Kliniken einen Zufriedenheitsindex von 84 (um vier Punkte höher als im privaten Sektor).

Im Out-Patient-Bereich vergaben die Veteranen 82 Punkte (einen Punkt weniger als im privaten Sektor). Das stimmt mit den Ergebnissen einer RAND-Studie überein, die das Veteranengesundheitssystem 2011 als "gut" beschrieb.

Es ist wichtig, dass der Skandal Missstände aufgezeigt hat, die korrigiert werden müssen. Hoffentlich wird aber dabei nicht aus den Augen verloren, dass Millionen von US-Veteranen durchaus eine adäquate Versorgung erfahren.

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