Gastbeitrag zu Griechenland

Im Gesundheitssystem herrscht pures Chaos

Viele Griechen sind nicht mehr krankenversichert. Ärzte arbeiten bis an die Belastungsgrenze und werden schlecht bezahlt. In den Kliniken fehlt es am nötigsten. Die Finanzkrise hat im Gesundheitssystem eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.

Von Filippos Sacharis Veröffentlicht:
Griechen protestieren während des Besuches von Alexis Tsipras bei Angela Merkel vor dem Kanzleramt gegen die Sparpolitik.

Griechen protestieren während des Besuches von Alexis Tsipras bei Angela Merkel vor dem Kanzleramt gegen die Sparpolitik.

© Pedersen / dpa

ATHEN. Das griechische Gesundheitssystem steht seit langem vor dem Kollaps. Viele Griechen sind arbeitslos und haben keine Krankenversicherung mehr. Eine Behandlung in Privatkliniken ist für sie zu teuer. Hinzu kommt, dass eine über viele Jahre falsch betriebene Politik die Probleme forciert hat.

Die öffentlichen Krankenhäuser sind schon lange überfüllt. Zudem fehlt es den griechischen Kliniken an allem: Ärzten, Pflegekräften, Arzneimitteln, Verbandmaterial - sogar Toilettenpapier.

Der Mangel führt dazu, dass Patienten nicht richtig versorgt und über ihre Rechte aufgeklärt werden können. Die Politik der Troika hat die ohnehin schlechte Lage an den Krankenhäusern noch verschärft. Vor allem viele regionale Kliniken sind kaum noch funktionsfähig.

"Fakelaki" - ein großes Problem

Die Zahl der Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern reicht nicht aus, um die vielen armen Patienten zu betreuen. Die Lage ist für alle Beteiligten schwierig.

Die Patienten werden unzureichend versorgt, Ärzte und Pflegekräfte leiden an den Arbeitsbedingungen und an der schlechten Bezahlung. Ungeheuer viel Arbeit für wenig Lohn, das ist Alltag.

Die Lage verschlimmert sich sogar, weil Ärzte neuerdings sogar Prügel-Attacken ausgesetzt sind. Ärzteverbände zeigen sich über diese Entwicklung entsetzt.

Der Athener Ärzteverband appelliert an die neu gewählte Regierung, sich der schlimmen Zustände im griechischen Gesundheitswesen anzunehmen. "Die neue Führung des Gesundheitsministeriums soll ihre Versprechen und Verpflichtungen gegenüber den Patienten und Ärzten halten", betont der Verband.

Ein großes Problem der griechischen Gesundheitsversorgung hat auch mit der Korruption und den Schmiergeldzahlungen in der Gesundheitsbranche zu tun. Allerdings werden nur vereinzelt Ärzte wegen der Entgegennahme sogenannter "Fakelaki" (Bestechungsgelder) und Steuerhinterziehung beschuldigt.

"Fakelaki" sind seit Jahren feste Bestandteile in der Krankenhausversorgung. Manche Ärzte zwingen Patienten, mehrmals vor oder nach Operationen Bestechungsgelder zu zahlen.

Fälle von Steuerhinterziehung

Einige wurden bereits festgenommen. Nicht wenige Ärzte geben ihren Patienten überhaupt keine Quittungen oder nur solche, die einen geringeren Betrag als den tatsächlich gezahlten ausweisen.

Ein klassischer Fall von Steuerhinterziehung. Aber das gilt nicht für die Mehrheit der Ärzte. Der weitaus größte Teil ist wissenschaftlich stark interessiert und in der Patientenversorgung außerordentlich engagiert. Die griechische Gesundheitsversorgung leidet, aber die Ärzte tragen daran so gut wie keine Schuld.

50 bis 70 Prozent der Griechen, so wird geschätzt, sind auf die Angebote kostenloser Gesundheitsversorgung angewiesen. Ein Viertel der Gesamtbevölkerung Griechenlands lebt von rund 500 Euro pro Monat, also an der Armutsgrenze.

Der neue Gesundheitsminister, Panagiotis Kouroumplis, kündigte nach der Amtsübernahme an: "Wir müssen uns um die Unversicherten kümmern und die katastrophalen Auswirkungen der Reformbemühungen auf den Gesundheitssektor beenden."

Diese seien ausschließlich zu Lasten der Versicherten gegangen und hätten die öffentliche Gesundheitsversorgung völlig zum Erliegen gebracht, so der Minister.

Verzweifelte Patienten

Wer monatelang auf eine Operation in einem öffentlichen Krankenhaus warten muss und große Angst um seine Gesundheit hat, der ist verzweifelt und sucht nach alternativen Lösungen. Patienten werden deshalb oft genug bereit sein, wenn sie denn das Geld irgendwie zusammenbekommen, Bestechungsgelder zu zahlen.

Also wieder "Fakelaki" - für ein Klinikbett und eine Operation! Die Bettenzahl in den öffentlichen Krankenhäusern ist seit der Finanzkrise stark reduziert worden, ein großer Anteil der übrig gebliebenen Betten wird an private Versicherungen abgegeben.

Und die Unversicherten oder die Patienten mit einer öffentlichen Krankenversicherung? Was machen sie? Es herrscht echtes Chaos.

Kostas Lourandos, Vorsitzender des panhellenischen Apothekenverbands räumt im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" ein, dass die griechische Gesundheitsversorgung mangelhaft und schlecht organisiert sei. Das betreffe öffentliche Krankenhäuser, Ärzte und Apotheken.

Das ganze Gesundheitssystem sei aufgrund der Krise enorm stark unter Druck geraten. Aber Griechenland verfüge europaweit mit über die besten Ärzte.

Man solle nicht vergessen, dass viele Ärzte in Griechenland unter schlimmen Bedingungen in den öffentlichen Krankenhäusern arbeiten. Das gelte aber nicht für die privaten Krankenhäuser, dort sei die Situation erheblich besser.

Gut für die Griechen, die sich eine solche Behandlung noch leisten können.

Filippos Sacharis ist Journalist und lebt in Athen.

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