Social Freezing

Japanische Stadt übernimmt Kosten für Eizellkonservierung

Auch in Japan steigt das Alter der Erstgebärenden. Die bei Tokio gelegene Stadt Urayasu versucht nun, jungen Bürgerinnen mit Kinderwunsch die Oozytenkonservierung schmackhaft zu machen. Sie unterstützt sie finanziell und will so die Geburtenrate erhöhen.

Von Sonja Blaschke Veröffentlicht:

Es dürfte eine weltweite Premiere in puncto Social Freezing sein: Eine japanische Stadt will die Kosten für das Einfrieren von Eizellen ihrer Bürgerinnen tragen. Rund 90 Millionen Yen, umgerechnet 700.000 Euro, hat Urayasu bis März 2018 dafür vorgesehen.

Vor wenigen Tagen gab ein Ethik-Rat im örtlichen Krankenhaus die Freigabe, dass vier Frauen im Rahmen des Programms ihre Eizellen für eine künftige Schwangerschaft dort einfrieren lassen dürfen.

Urayasu, eine Stadt mit 165.000 Einwohnern östlich von Tokio, will damit Bürgerinnen, die sich sonst eine künstliche Befruchtung womöglich nicht leisten könnten, finanziell unterstützen. Die Eizellkonservierung kostet umgerechnet zwischen 4000 und 8000 Euro.

Mit Unterstützung der Stadt würde sich der Eigenanteil auf umgerechnet rund 800 Euro reduzieren, inklusive der Kosten für Injektionen und Medikamente.

Bereits seit 2015 beteiligte sich Urayasu an der Forschung zur Oozytenkonservierung am örtlichen Krankenhaus, das zur Tokioter Juntendo Universität gehört, einer der bekanntesten medizinischen Einrichtungen in Japan. Bisher war dieses Verfahren primär Frauen vorbehalten, die drohten, unfruchtbar zu werden - etwa im Zuge einer onkologischen Behandlung.

Frauen müssen zwischen 20 und 34 Jahre alt sein

Nun soll in Urayasu die Eizellkonservierung einem weiteren Kreis an Frauen zugänglich gemacht werden. Sie müssen Bürgerin von Urayasu sein, zwischen 20 und 34 Jahre alt, und sie sollen die Eizellen im Prinzip bis zu ihrem 45. Lebensjahr verwenden. Rund 40 Frauen nahmen bisher an Infoveranstaltungen im Krankenhaus teil. "Die meisten wollen bald schwanger werden, solange sie möglichst jung sind", so der am Programm beteiligte Professor Iwaho Kikuchi im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Er ist in der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie am Juntendo Unikrankenhaus Urayasu tätig.

Seit Jahren bewegt sich die Geburtenrate in Japan bei etwa 1,4 Kindern pro Frau; das Alter der Erstgebärenden lag 2014 erstmals bei knapp über 30 Jahren.

Das ostasiatische Land mit derzeit 127 Millionen Einwohnern schrumpft und überaltert so schnell wie keine andere Industrienation. Das Programm sei aber nicht vor dem Hintergrund der Demografie zu sehen, so Kikuchi.

"Sowohl die Stadt Urayasu als auch ich denken, dass die Eizellkonservierung per se keine Maßnahme ist, um der sinkenden Geburtenzahl entgegenzuwirken." Die Stadt habe vielmehr eine breite Palette an Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate ergriffen. Dafür habe sie pro Jahr ein Gesamtbudget von drei Milliarden Yen, umgerechnet 24 Millionen Euro, bereitgestellt.

Dazu gehören Partnervermittlungen genauso wie - in Verbindung mit dem in Urayasu ansässigen Tokyo Disneyland - die Bereitstellung von Hotels zur Pflege nach der Geburt sowie die Einrichtung von Kindergärten, in denen auch kranke Kinder betreut werden können.

Gegenwind von Gesellschaft für Geburtshilfe

Die Oozytenkonservierung, wie sie in Urayasu geplant ist, hat in Japan unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Die japanische Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie sagte in einer japanischen Zeitung, sie rate generell davon ab - mangels "nicht hoher" Erfolgschancen.

 Das Einfrieren von Eizellen solle nur Krebspatientinnen und wenigen Ausnahmefällen gestattet werden. Die japanische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin indes unterstützt das Verfahren und stellte Richtlinien für unverheiratete Frauen zusammen, die sich später gefrorene Eizellen einsetzen lassen wollen.

 Auf die Fragen, wie sie das Vorgehen von Urayasu bewerte und welche Erfolgschancen es beim Einsetzen der Eizellen gebe, war die Organisation gegenüber der "Ärzte Zeitung" nicht bereit, Stellung zu nehmen.

Für junge Japaner sei es finanziell häufig schwierig, eine Familie zu gründen, erläutert Kikuchi. Entsprechend liege das Durchschnittsalter bei In-vitro-Befruchtungen bei 39 Jahren; die Chance auf eine Schwangerschaft sei in diesem Alter niedriger.

"Weil die künstliche Befruchtung üblicherweise aus der eigenen Tasche bezahlt wird, gibt es keine Altersgrenze, und auch wenn die Chance auf eine Schwangerschaft niedrig ist, gibt es kein Gesetz, das dies reglementiert", so Kikuchi.

Nur zwei Prozent der in Japan geborenen Kinder kommen außerhalb der Ehe zur Welt. Das setzt Frauen mit Kinderwunsch, aber ohne Partner, unter Druck. Etwa ein Dutzend privater Kinderwunsch-Kliniken japanweit hat vor rund zehn Jahren diese Marktlücke erkannt. Sie bieten die Oozytenkonservierung für gesunde, unverheiratete Frauen an.

Eine von diesen Einrichtungen ist das Tokioter Institut Repro Life. Dem Leiter des 2010 gegründeten Zentrums, dem anerkannten Kryobiologen und Embryologen Dr. Masashige Kuwayama, war es 1999 weltweit erstmals gelungen, mit dem Einsetzen zuvor gefrorener Eizellen einer Frau die Schwangerschaft zu ermöglichen.

Er entwickelte eine Technik, mit der durch das besonders schnelle Einfrieren eine Schädigung der Zellmembran verhindert wird. "Mit unserer Technik haben wir eine 100-prozentige Überlebensrate für Eizellen, die gefroren und wieder aufgetaut werden.

Da die Chancen auf eine erfolgreiche Geburt, nachdem Eizellen befruchtet und eingesetzt wurden, pro Ei bei rund zehn Prozent liegt, würde das theoretisch zu einer Schwangerschaft führen, wenn die Frau zehn Eizellen einfrieren lässt", sagte Kuwayama der Zeitung "Asahi".

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