Hausgeburt

Mütter scheitern mit Klage

Ein Kind mit Hilfe einer Hebamme zu Hause zur Welt bringen: Für viele tschechische Mütter ist das ein praktisch unerfüllbarer Wunsch. Daran wird sich vorerst auch nichts ändern. Zwei Mütter sind mit ihrer Klage in Straßburg gescheitert.

Von Michael Heitmann Veröffentlicht:
Mütter scheitern mit Klage

© knopf81 / fotolia.com

PRAG/STRAßBURG. Immer mehr Frauen in Tschechien wollen ihr Kind nicht mehr in der Klinik zur Welt bringen. Sie wünschen sich eine Geburt im vertrauten und gemütlichen Umfeld der eigenen vier Wände. Doch anders als in vielen europäischen Ländern ist eine von Hebammen betreute Hausgeburt in Tschechien ein praktisch unerfüllbarer Wunsch.

Dagegen hatten zwei tschechische Mütter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geklagt. Am Dienstag mussten sie eine Niederlage einstecken. Die Richter der Großen Kammer betonten den "Gestaltungsspielraum" der Einzelstaaten. Es gebe keinen "europäischen Konsens" über den Sinn von Hausgeburten.

Zuzana Candigliota von der Liga der Menschenrechte zeigte sich in Prag enttäuscht, sagte aber: "Das Gericht hat den Staat immerhin dazu aufgerufen, die tschechische Geburtshilfe auf den Stand der neuesten medizinischen und wissenschaftlichen Entwicklung zu bringen." Sie wolle nun an den UN-Ausschuss gegen Frauendiskriminierung appellieren.

"Ich hatte keine Ruhe in der Klinik"

Eine der Klägerinnen, Sarka Dubska, brachte ihr erstes Kind im Krankenhaus zur Welt. "Die Geburt ist problemlos verlaufen, aber es hat mich gestört, dass mir das Personal ständig etwas aufgenötigt und mich bedrängt hat – ich hatte keine Ruhe", erzählte sie. Die nächste Geburt sollte deswegen eine Hausgeburt werden.

Doch weil das Gesundheitssystem für die Kosten einer Hebamme nicht aufkommen wollte, war die Frau auf sich gestellt. Am Ende brachte sie zwei weitere Kinder nur mit der Hilfe ihres Mannes zur Welt – ganz ohne geschultes Personal.

Lieber hätte sie professionelle Hilfe zur Seite gehabt. "Nur dann ist die Hausgeburt sicher, günstiger und angenehmer als eine Geburt im Krankenhaus", sagt sie.

Hebammen brauchen Genehmigung

Auch die inzwischen dreifache Mutter Alexandra Krejzova konnte keine Hebamme finden, die zu einer Hausgeburt gekommen wäre. "Das tschechische Geburtshilfe-System erniedrigt Frauen und spricht ihnen die Kompetenz ab, über sich und ihre Kinder zu entscheiden", beklagt Krejzovas Anwältin Adela Horejsi.

Zwar sind Hausgeburten in Tschechien nicht gesetzlich verboten. Doch brauchen Hebammen eine Genehmigung der Gesundheitsbehörden, die nach Angaben der Betroffenen kaum zu beschaffen ist. "Die Behörden üben Druck auf die Hebammen aus und versuchen, sie mit der Androhung von Ordnungsgeldern einzuschüchtern", sagt Candigliota. Selbst die Eintragung des Kindes beim Standesamt ist mit Schwierigkeiten verbunden.

Der Trend scheint aber nicht aufzuhalten zu sein. "Geschätzt geht es um mindestens tausend Frauen im Jahr, denn die Zahl der Hausgeburten nimmt zu, vor allem in Prag", sagt Candigliota. Es entbehre jeder Logik, keine Hebamme zur Seite zu stellen.

Beim europäischen Spitzenreiter, den Niederlanden, kommt bereits ungefähr jedes dritte Baby zu Hause zur Welt. In Deutschland sind es weniger als zwei Prozent der Kinder. Zwar werden hier die Kosten von den Krankenkassen übernommen, vielen Hebammen bereiten aber die seit Jahren steigenden Beiträge zur Haftpflichtversicherung Probleme.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht größtmögliche Sicherheit für Mutter und Kind gemäß früherer Angaben nur in einer Geburtsklinik für gegeben an. Nur dort könne auf Notsituationen sofort reagiert werden. Auch die tschechische Ärzteschaft lehnt Hausgeburten als zu risikoreich ab. Der Prager Gynäkologie-Professor Pavel Calda sprach gar von einem "egoistischen Abenteuer von Frauen, die sich ohne Rücksicht auf Risiken nach eigenen Erlebnissen sehnen".

Das Thema in die Öffentlichkeit gebracht hatte auch der Dokumentarfilm "Fünf Geburten". Die Autoren begleiteten zwei Tage lang den Alltag auf einer großen Prager Entbindungsstation. Heraus kam eine Anklage teils unpersönlicher Behandlung.

Zu sehen waren Väter, die auf dem Gang verzweifelt auf Informationen warteten; Mütter, die unmittelbar nach der Geburt von den Neugeborenen getrennt wurden; Reinigungspersonal, das unbeirrt im Kreißsaal putzte. Ärzte reagierten indes empört: Die Filmemacher hätten nur die "schlimmsten Augenblicke" zusammengeschnitten. (dpa)

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