Ärzteflucht in Griechenland

"Plage" für das geschundene Land

18.000 griechische Ärzte haben seit Beginn der Finanzkrise im Land ihre Heimat verlassen. Eine Flucht, die Spuren hinterlässt – und die Regierungschef Alexis Tsipras nun zügig stoppen will.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Sonnenuntergang in Athen: Die medizinischen Aussichten in Griechenland werden düster – Ärzte fehlen dem Gesundheitssystem massiv.

Sonnenuntergang in Athen: Die medizinischen Aussichten in Griechenland werden düster – Ärzte fehlen dem Gesundheitssystem massiv.

© anastasios71 / stock.adobe.com

ATHEN. Griechenlands Regierung sagt der anhaltenden Ärzteflucht aus dem von der Krise gebeutelten Land den Kampf an. So hat der griechische Regierungschef Alexis Tsipras nun die Einstellung 3000 neuer Ärzte und Pfleger angekündigt, außerdem sollen zeitnah mehr als 230 neue regionale Gesundheitszentren gegründet werden. Im griechischen Fernsehen appellierte Tsipras an die Mediziner, in ihrer Heimat zu bleiben.

Auch in der Peripherie – etwa auf der Insel Santorini – würden erstmals wieder Kliniken eröffnet und Personal eingestellt, erfuhr die "Ärzte Zeitung" aus Medizinerkreisen in Athen. Viele Stellen seien bereits ausgeschrieben, Bewerber fehlten jedoch.

Ärzteflucht als "Plage" für das Land

Tatsächlich leidet das griechische Gesundheitssystem massiv unter der Abwanderung von Ärzten und Pflegekräften in Folge der Finanzkrise. Daher könnte es aus Sicht der Panhellenic Medical Association, dem griechischen Gegenstück zur Bundesärztekammer (BÄK), schwierig werden, die entstandenen Lücken zeitnah nachzubesetzen.

Nach Angaben von Verbandspräsident Michalis Vlastarakos wanderten infolge der Finanzkrise zwischen 2010 und 2016 etwa 18.000 griechische Ärzte aus. Die meisten arbeiteten heute in Großbritannien, Deutschland, Schweden, Frankreich und der Schweiz.

"Wir müssen dafür sorgen, dass diese Ärzte zurückkehren", sagte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras jüngst. Die Ärzteflucht als Teil der Abwanderung von spezialisierten Arbeitskräften sei "eine Plage" für sein Land.

"Es herrscht in allen Kliniken akuter Personalengpass", beobachtet auch Hinrich Stechmann, Vorsitzender des Fördervereins für die Sozialklinik Elliniko im gleichnamigen Athener Stadtteil.

Hinzu kommen Spuren, die die Finanzkrise in Klinken hinterlassen hat: "Die technische Ausstattung ist marode, die Klinikapotheken leer, Bedarfsartikel kaum noch vorhanden." Im Uniklinikum Athen etwa konnte zwischenzeitlich nur die Hälfte der Betten belegt werden – weil Personal fehlte, um die Patienten zu betreuen, erklärte Chirurg Dr. Konstantinos Nastos der "Ärzte Zeitung". Ganze Klinikflügel seien stillgelegt gewesen, weil nicht ausreichend Fachpersonal vor Ort war.

Schlechte Arbeitsbedingungen

Leerer OP: Im Uniklinikum Athen stehen viele Geräte still – weil mitunter Personal fehlt, um die Patienten zu betreuen.

Leerer OP: Im Uniklinikum Athen stehen viele Geräte still – weil mitunter Personal fehlt, um die Patienten zu betreuen.

© Jana Kötter

Genau hier offenbart sich aber auch der Teufelskreis, in dem die Abwanderung fußt und der eine Rückkehr, wie sie sich Tsipras erhofft, aus Sicht der Ärzteschaft aktuell erschweren könnte: Die Arbeitsbedingungen sowohl für angestellte als auch für niedergelassene Ärzte hätten sich extrem verschlechtert, erklärt Dr. Michael Kalavritinos. "Klinikärzte sollen unter sehr schwierigen Bedingungen – Mangel an Hilfspersonal, Materialien, Lohnkürzungen – ihre Arbeit leisten.

Niedergelassene hingegen haben mit einer Reduktion von Patienten und einer Steigerung der Abgaben zu kämpfen", so Kalavritinos. Der Kieferorthopäde engagiert sich ehrenamtlich für Ärzte der Welt in Griechenland - ist selber jedoch in der Schweiz tätig.

Die "massive Auswanderung" von Fachkräften sieht er als unmittelbare Folge dieser Arbeitsbedingungen an.

Laut griechischer Ärztekammer waren Ende 2015 knapp 68.000 Ärzte im Land tätig. Umso wichtiger wird die Suche nach neuen Medizinern für das Land laut Panhellenic Medical Association, da die politischen Reformen auch Unversicherten den Zugang zum Gesundheitssystem ermöglicht haben.

Die Kliniken, fürchten die Ärztevertreter, werden weiterhin steigende Patientenzahlen registrieren.

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