Marburgr Bund

Kliniken fehlt Geld, Ärzten Zeit

Auf der Hauptversammlung des Marburger Bunds zeigt sich: Zeit für Patienten zu haben, ist an Kliniken Luxus.

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BERLIN. Geld und Zeit, daran mangelt es in vielen deutschen Krankenhäusern erheblich. Und der Zusammenhang zwischen der Finanzmisere und dem dauernden Zeitdruck, dem sich Ärzte und Pflegekräfte fast überall ausgesetzt sehen, ist eindeutig. Das hat sich auch bei der 130. Hauptversammlung des Marburger Bundes (MB) am Wochenende in Berlin gezeigt.

"In keinem anderen Versorgungsbereich hat es in den vergangenen Jahren mehr Rationalisierung und staatlich verfügten Kapazitätsabbau gegeben als im Krankenhaussektor", sagte der MB-Vorsitzende Rudolf Henke.

In den vergangenen 20 Jahren seien rund 110.000 Krankenhausbetten abgebaut worden, gleichzeitig sei die Zahl der stationär behandelten Patienten von etwa 16 Millionen im Jahr 1995 auf 19,2 Millionen im vergangenen Jahr gestiegen. "Diese beispiellose Effizienzsteigerung ist der Verdienst der Beschäftigten in den Krankenhäusern, häufig um den Preis von Mehrarbeit und hoher Arbeitsverdichtung auf unterbesetzten Stationen", kritisierte Henke.

Dass seine Äußerungen kein Jammern auf hohem Niveau eines Ärztefunktionärs und Politikers sind, zeigten die Berichte der jungen Ärzte, die eingeladen waren, um aus ihrem Arbeitsalltag zu berichten – und vor allem die Reaktionen der Delegierten darauf.

"Dass ich für nichts Zeit habe, nervt mich am meisten", berichtete Dr. Johannes Wimmer. Und sein Hauptproblem als Assistenzarzt sei es gewesen, dass ihn niemand ausgebildet habe. Der 33 Jahre alte Hamburger hat neben seiner medizinischen mittlerweile auch eine Medienkarriere vorzuweisen. So ist er in mehreren Medienformaten des NDR zu sehen und präsentiert Erklärvideos zu medizinischen Themen im eigenen Youtube-Kanal. Wimmer sieht in den neuen Medien eine Chance für Ärzte, Zeit zu sparen. Medizinische Sachverhalte müssten so erklärt werden, dass sie in den Arbeitsalltag passten. So könne im Idealfall zum Beispiel der Patient schon vor dem OP-Aufklärungsgespräch viele Infos abrufen.

Wenn solche Erklärstücke von Ärzten gut gemacht seien, sparten sie hinterher Zeit. "Die Leute sind immer online. Wenn es schlecht läuft, landen sie auf einer Homepage, deren Mist Sie mit ihrer knappen Zeit hinterher wieder geradebiegen müssen", appellierte Wimmer an die Delegierten, mehr auf neue Techniken zu setzen.

"Neue Medien helfen nur, wenn sie die alten ersetzen. Das passiert aber nicht", klagte Dr. Hans-Albert Gehle, Oberarzt auf der Intensivstation eines Gelsenkirchener Krankenhauses. "Die Patienten haben zum Teil mit E-Plus besseren Empfang als ich mit der Technik der Klinik", kritisierte er. Es werde zu wenig investiert.

Zwischen welchen Vorwürfen und Ansprüchen sich junge Ärzte aufreiben, machte die als Referentin eingeladene Assistenzärztin Nicole Holzer deutlich. Viele Chefärzte würden den jungen Ärzten vorwerfen, sie wollten nur mehr Geld und weniger arbeiten. Die Pflegekräfte beklagten sich: Es gebe zu große Unterschiede bei den praktischen Fähigkeiten zwischen den Ärzten, und die Patienten hätten den Eindruck, die Ärzte seien immer überlastet. Hinzu kämen die Anforderungen, die junge Ärzte an sich selbst stellten: Kompetenz, Mut, Belastbarkeit und Einsatzbereitschaft.

Nach den Vorträgen gab es zahlreiche, teils sehr emotionale Wortmeldungen. Der Tenor war stets der gleiche: Ärzte wollen ihren Patienten und ihren Kollegen gerecht werden, doch die Zeit dafür reicht einfach nie. (chb)

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