Integrationsprojekt

Vom Kampf mit dem Konjunktiv II

Die aus Usbekistan stammende Ärztin Samira Shadmanova will in Deutschland als Ärztin arbeiten. Durch die erste Sprachprüfung rauscht sie durch - und gibt nicht auf. Die "Ärzte Zeitung" begleitet die Medizinerin in einer neuen Serie auf ihrem Weg ins deutsche Gesundheitswesen.

Von Katrin Berkenkopf Veröffentlicht:
"Ich will den weißen Kittel anziehen und sagen ‘Ja, ich bin Ärztin’": Samira Shadmanova.

"Ich will den weißen Kittel anziehen und sagen ‘Ja, ich bin Ärztin’": Samira Shadmanova.

© Katrin Berkenkopf

SOLINGEN. Morgens macht sich Samira Shadmanova mit Bus und Bahn von Solingen auf den Weg nach Düsseldorf. Dort paukt sie deutsche Grammatik, übt Briefe zu schreiben, versucht das deutsche Gesundheitssystem zu verstehen. "Ich bin so dankbar, dass sie mir das zutrauen", sagt die 47-Jährige und strahlt.

Seit Anfang des Jahres ist sie mit großer Begeisterung dabei. Wenn alles gut geht, wird Ende des Jahres ihr großer Traum wahr: als Ärztin auf der Station für innere Medizin eines deutschen Krankenhauses zu arbeiten.

Shadmanova ist Teilnehmerin eines neuen Integrationsprojektes für ausländische Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen. Im Kampf gegen den Ärztemangel will das Land Medizinern den Berufseinstieg erleichtern, die aus verschiedenen Gründen bislang in Deutschland nicht beruflich Fuß fassen konnten.

"Für uns alle ist es die letzte Chance", meint die Ärztin aus Usbekistan.

"Der Anfang war schwer"

Sie selbst ist seit 2004 in Deutschland. Ihre Familie kam aus Samarqand nach Wilhelmshaven, weil ihr Mann dort eine Stelle in der Gynäkologie antreten konnte.

Shadmanova, die in Usbekistan zuletzt als Werksärztin in einem großen Industriekomplex gearbeitet hatte, kümmerte sich zunächst um die beiden Kinder, ein drittes wurde in Deutschland geboren.

"Der Anfang war schwer, vor allem wegen der Sprache", erinnert sich die Medizinerin. "Ich denke noch heute in Russisch." In ihrem kleinen friesischen Wohnort begegnete man "Herrn und Frau Doktor" mit viel Respekt - auch wenn Shadmanova gar nicht promoviert hat.

Ihr erstes Erlebnis mit einem deutschen Arzt war dagegen eher abschreckend: Es war ein Kinderarzt, ihre Kinder mussten übersetzen, was der Mann sagte. "Er hat die ganze Zeit so kritisch geguckt."

Der Kollege habe kaum Zeit gehabt und stellte nur schnell ein Rezept aus. "Und ich dachte: Oh Gott, so sind also die Ärzte in Deutschland, keine Empathie, wie Roboter."

Hürden für Nicht-EU-Ärzte

Mehrmals zog die Familie um, landete schließlich in Solingen im Bergischen Land. Dort reifte bei Samira Shadmanova vor drei Jahren der Entschluss, wieder in ihren Beruf einsteigen zu wollen. Sie erhielt eine befristete Arbeitserlaubnis und machte ein Praktikum in der inneren Medizin des örtlichen St. Lukas-Krankenhauses.

Diese Zeit bestärkte sie in ihrem Vorhaben. Mit ihren sprachlichen Schwierigkeiten seien die Patienten immer geduldig umgegangen. "Wenn man Empathie hat, kriegt man keine negative Resonanz."

Doch nach dem Praktikum ging es erst einmal nicht weiter. "In Nordrhein-Westfalen ist es besonders schwer für Nicht-EU-Ärzte." Ohne Kenntnisprüfung gibt es keine Weiterbildung und keine Anstellung. Dass es für EU-Ärzte viel leichter ist, trotz fehlender Sprachkenntnisse hier zu arbeiten, findet sie ungerecht, gibt sie offen zu.

Die Ärztin bereitete sich selbst auf die Prüfung vor, trat sie im Mai 2012 an - und fiel durch. Danach war sie zunächst ratlos. Sie überlegte, alternativ eine Ausbildung im Gesundheitswesen zu beginnen. "Aber ich liebe meinen Beruf." Daher suchte sie weiter nach Möglichkeiten für den Einstieg als Ärztin. "Ich will auf eigenen Beinen stehen, den weißen Kittel anziehen und sagen ,Ja, ich bin Ärztin.‘"

Dass sie Medizin studieren wollte, war ihr schon mit zehn, elf Jahren klar. Ihre Mutter ist Krankenschwester, deshalb verbrachte sie selbst viel Zeit im Krankenhaus - und traf dort auf zwei engagierte Ärztinnen, die ihr Vorbild wurden.

"Ich will von ganzem Herzen arbeiten"

Nach dem Schulabschluss folgten sechs Jahre Studium und ein praktisches Jahr. Gemeinsam mit elf anderen Ärzten arbeitete sie in der werkseigenen Praxis des Industriekomplexes, und war präventiv wie kurativ tätig. "Das war interessant, wir kannten unsere Patienten gut."

Im vergangenen Herbst ging dann alles ganz schnell: Im Internet stieß Shadmanova auf das Integrationsprojekt. Sie bewarb sich, hatte am Nikolaustag ihr Vorstellungsgespräch und wurde angenommen. Bis Ende Mai sitzt sie nun täglich im Unterricht - ihre aktuelle Herausforderung: Konjunktiv II.

Anschließend steht das Praktikum an. Sie hat sich bereits bei einer Reha-Klinik mit Spezialisierung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen beworben und freut sich auf die Zeit: "Ich will von ganzem Herzen arbeiten."

Das Integrationsprojekt für Ärztinnen und Ärzte aus Nicht-EU-Ländern wird von der Otto-Benecke-Stiftung in Bonn geleitet und teilt sich in drei Abschnitte: eine fachsprachliche Vorbereitung, die vom Bildungsträger Wipa in Düsseldorf mit Unterstützung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge durchgeführt wird, ein dreimonatiges ärztliches Praktikum, und einer abschließenden Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung, ebenfalls wieder bei Wipa.

Das Projekt finanzieren das Landesgesundheitsministerium und der Europäische Sozialfonds. Es gab eine große Zahl von Bewerbungen, viele Zuwanderer wollten allerdings nur ihre fachärztliche Weiterbildung absolvieren und nicht dauerhaft in Deutschland arbeiten. Am Ende wurden zwölf Teilnehmer für das erste Modul ausgewählt, das im Dezember gestartet ist.

Einige sprachlich sehr fitte Bewerber sollten direkt in das ärztliche Praktikum einsteigen. Die „Ärzte Zeitung“ wird die usbekische Ärztin Samira Shadmanova während ihrer Teilnahme am Projekt und beim Berufseinstieg begleiten. (kab)

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