Landärztemangel

Was bringen lokale Gesundheitszentren?

Die Einzelpraxis ist für junge Ärzte offenbar ein Auslaufmodell. Teamarbeitsmodelle sind gefragt. Wie sie funktionieren könnten, wurde bei einem Kongress in Saarbrücken diskutiert.

Andreas KindelVon Andreas Kindel Veröffentlicht:

SAARBRÜCKEN. Wie bekommt man junge Mediziner bloß aufs Land? Der Frankfurter Professor für Allgemeinmedizin, Ferdinand Gerlach, hat da einen Vorschlag: "Schafft lokale Gesundheitszentren für die Primär- und Langzeitversorgung von Patienten".

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen ist davon überzeugt, dass die Einzelpraxis für den ärztlichen Nachwuchs nicht das Modell der Zukunft ist.

"Die junge Generation möchte nicht als Einzelkämpfer, sondern im Team arbeiten", sagte Gerlach bei einem Gesundheitswirtschaftskongress in Saarbrücken.

Teams mit vier bis sechs Haus- und Fachärzten, dazu Assistenz- und Pflegekräfte in einem Zentrum - das habe Zukunft und biete gerade für junge Ärztinnen attraktive Arbeitszeitmodelle. Möglich seien Teilzeitjobs, gegenseitige Vertretung und idealerweise auch eine Kinderbetreuung im Zentrum.

Attraktive Arbeitsbedingungen

Und Gerlach geht sogar noch einen Schritt weiter: Warum die lokalen Gesundheitszentren nicht auch für "Außeneinsätze" von jungen Medizinern aus der Stadt öffnen, die für eine halbe oder ganze Woche zum Arbeiten aufs Land kommen, mit der Familie aber lieber weiter in der Stadt leben wollen.

"Das ist ein Weg, gerade jungen Ärztinnen attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten", meinte der Medizin-Professor.

Idealerweise könnte man nach Gerlachs Vorstellungen das Gesundheitszentrum an ein kleines Krankenhaus "andocken". Viele kleine Kliniken müssten derzeit um ihre Existenz kämpfen und böten "aus purer Not" neben der Grundversorgung jetzt Spezialleistungen an.

Doch für die Region wäre es häufig besser, Krankenhaus und Niedergelassene würden sich zusammentun.

Wenn zum Beispiel die Kommune dann noch dafür sorge, dass die Patienten mit Bürgerbussen oder per Hol- und Bringediensten zu den Ärzten in das lokale Gesundheitszentrum gebracht werden, könne die Sache funktionieren.

Neue lokale Gesundheitszentren müssten auch nicht an der Finanzierung scheitern. Zum einen werde durch die Zusammenarbeit auch Geld gespart.

Zum anderen gibt es nach Gerlachs Überzeugung auch Überversorgung - nämlich in den Städten. Dagegen habe man bisher nichts Wirksames gemacht. Sein Vorschlag: Ab 200 Prozent Überversorgung müssten Arztsitze aufgekauft werden.

Beispiel aus Meisenheim

Dass solche neuen Gesundheitszentren möglich sind, zeigt ein Beispiel aus der 3000 Einwohner-Gemeinde Meisenheim in Rheinland-Pfalz. Dort wurde Ende 2014 das "Gesundheitszentrum Glantal" eröffnet.

"Zu unserem Gesundheitszentrum gehört ein MVZ, ein Filialarztzentrum freiberuflicher Fachärzte und die Nutzung telemedizinischer Anbindungen in der Radiologie", berichtete der Geschäftsführer des Trägers, des "Landeskrankenhauses Andernach", Dr. Gerald Gaß, auf dem Kongress in Saarbrücken.

Bisher einmalig in einem rheinland-pfälzischen Krankenhaus sei die "Abteilung für interdisziplinäre Grundversorgung" mit Gynäkologie, HNO und Urologie.

In dem Filialarztzentrum bieten ambulant tätige Ärzte ihre Leistungen an und können ihre Patienten im Bedarfsfall auch stationär weiter behandeln.

Dr. Antje Erler vom Institut für Allgemeinmedizin der Uni Frankfurt/Main hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche solcher regionaler Gesundheitsmodelle untersucht und dabei mehrere Erfolgsfaktoren ausgemacht.

"Man braucht ‚Kümmerer‘, also Führungspersonen, die auch Entscheidungen treffen", berichtete sie in Saarbrücken.

Wichtig seien auch funktionierende Organisationsstrukturen, eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten und persönliche Faktoren wie Engagement und Risikobereitschaft.

Besonders wichtig sei aber, dass auch die nötigen Ressourcen bereitstehen. "Alle erfolgreichen Modelle hatten zumindest eine Anschubfinanzierung", erläuterte Erler.

Viele innovative Modelle

Und wer hilft, wenn man sich wirklich mit mehreren Ärzten zusammen tun und ein lokales Gesundheitszentrum schaffen will? Die Allgemeinmediziner von der Universität Frankfurt haben dafür ein umfangreiches Beratungsangebot für Ärzte, Kommunen und andere Akteure im Gesundheitswesen entwickelt.

Es reicht von einer Bedarfsanalyse, über Fördermöglichkeiten und Projektentwicklung bis zur Evaluation. Antje Erler machte Mut: "Es gibt bereits eine Vielzahl erfolgreicher innovativer Modelle".

www.innovative-gesundheitsmodelle.de

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen