Neumünster

Klinik prescht bei Flüchtlings-Versorgung vor

Eine Klinik mit engagierten Ärzten und Pflegern in Neumünster ergreift die Initiative zur Flüchtlings-Versorgung. Die Landespolitik flankiert das mit Geld und Bürokratie-Abbau.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Die Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster: Sie befindet sich direkt neben dem Krankenhaus, das die stark gestiegenen Patientenzahlen mit den vorhandenen Kapazitäten kaum mehr stemmen konnte. Nun soll ein neues Konzept helfen.

Die Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster: Sie befindet sich direkt neben dem Krankenhaus, das die stark gestiegenen Patientenzahlen mit den vorhandenen Kapazitäten kaum mehr stemmen konnte. Nun soll ein neues Konzept helfen.

© Rehder/dpa

NEUMÜNSTER. Eine neue medizinische Einheit soll das stark von Flüchtlingen frequentierte Friedrich-Ebert-Krankenhaus (FEK) in Neumünster entlasten.

Das Land Schleswig-Holstein stellt kurzfristig zwei Millionen Euro für das vom FEK entwickelte "Konzept zur integrierenden Versorgung" zur Verfügung. Das Personal soll aus dem vorhandenen Mitarbeiterstamm, aus den Reihen von Flüchtlingen und aus neu angeworbenen Kräften bestehen.

Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Innen-Staatssekretär Ralph Müller-Beck (SPD) wird die Lösung bundesweiten Modellcharakter haben. Denn auch in anderen Erstaufnahmeeinrichtungen zeigt sich, dass die medizinischen Kapazitäten dort nicht ausreichen, um neben den Erstuntersuchungen auch eine medizinische Betreuung zu gewährleisten.

Stark steigende Patientenzahlen

Besonders nach den Dienstzeiten in den Erstaufnahmeeinrichtungen strömen die Flüchtlinge dann in die nächst gelegenen Krankenhäuser. Das FEK ist besonders betroffen, weil es nur wenige Meter von der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes entfernt liegt.

Folge waren stark steigende Patientenzahlen, die das FEK mit den vorhandenen Kapazitäten nicht betreuen kann, obwohl dringend Hilfe geboten ist, wie der ärztliche Direktor im FEK, Dr. Ivo Heer, deutlich machte. Er berichtete von einem afghanischen Jungen, der zu Fuß nach Deutschland kam und im FEK wegen Verletzungen und mit Infektionen behandelt werden musste.

Heer will in der neuen Einheit ein multikulturelles Team bilden, das den sprachlichen und ethnischen Herausforderungen begegnen kann. Dazu sollen auch aus den Reihen der schon im Land befindlichen Flüchtlinge Ärzte und Pfleger rekrutiert werden. Das Land will dafür sorgen, dass alle für die Arbeitserlaubnis erforderlichen Verwaltungsakte beschleunigt werden.

Ein erster Schritt: Bislang wurde nicht erfasst, welcher Flüchtling Arzt ist. Diese Erfassung und die Weiterleitung an die entsprechenden Stellen sollen künftig schon vor der medizinischen Erstuntersuchung erfolgen - also direkt nach der Ankunft. So kann auch etwa die Ärztekammer schneller informiert werden.

Derzeit gibt es immer wieder Personalengpässe. So sucht das FEK zum Beispiel dringend eine arabisch sprechende Ärztin aus Syrien, weil viele Frauen aus diesem Land sich nicht von männlichen Ärzten untersuchen lassen wollen.

Ein anderer Weg der Rekrutierung: Das FEK wird gezielt die zahlreich vorliegenden Blindbewerbungen von Ärzten aus den gesuchten Regionen filtern und sich um eine Arbeitserlaubnis bemühen. Beschäftigte im FEK haben außerdem schon deutlich gemacht, dass sie für eine begrenzte Zeit auch ihre Arbeitszeiten aufstocken würden.

Heer geht für die Einheit von einer Personalstärke von sechs Ärzten, zehn Pflegekräften und drei Verwaltungsmitarbeitern aus. Die Finanzierung ist mit den zwei Millionen Euro jährlich aus Landesmitteln gesichert.

Beeindruckende Hilfe von der Politik

Müller-Beck machte deutlich, dass das Land jede Unterstützung gibt, um die Engpässe zu überwinden: "Wir werden das nötige Personal finden. Alles, was diesem Ziel im Wege steht, wird ausgeräumt", sagte er.

Heer zeigte sich beeindruckt von der Rückendeckung, die die Klinik von Stadt und Land erhält. Erst vor 14 Tagen hatte sich das Haus mit dem Problem an die Stadt gewandt und sofort den Auftrag erhalten, ein Konzept zu erarbeiten.

Im FEK selbst besteht nach Angaben von Pflegedirektor Christian de la Chaux eine hohe Bereitschaft der Mitarbeiter, den Flüchtlingen zu helfen.

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