Auch ohne Papiere

Ärzte auf der Flucht sollen behandeln dürfen

Am Donnerstag treffen sich Bund und Länder zum Flüchtlingsgipfel. Auch eine Änderung der Bundesärzteordnung ist dort Thema: Flüchtlinge, die über eine Ausbildung als Arzt verfügen, sollen in den Aufnahmestellen behandeln dürfen. Auch ohne Papiere.

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BERLIN. Das Beschleunigungsgesetz, das am Donnerstag beim Bund-Länder-Gipfel zur Flüchtlingsthematik im Fokus stehen wird, soll eine Änderung der Bundesärzteordnung beinhalten. Dies geht aus dem Gesetzentwurf vor.

Demnach könnten Flüchtlinge, die über eine Ausbildung als Arzt verfügen, bei einem Mangel von Medizinern in Aufnahmeeinrichtungen tätig werden - selbst wenn die offizielle Approbation an fehlenden Unterlagen scheitern würde.

Dafür müsse der geflüchtete Arzt laut Gesetzentwurf eidesstattlich versichern, dass er über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt. Ferner muss ein von der zuständigen Landesbehörde entsandter Arzt in einem Fachgespräch Ausbildungsweg sowie ärztliche Kompetenz beurteilen.

Voraussetzungen für die Tätigkeitsaufnahme sind unter anderem, dass eine "sprachliche Verständigung der ermächtigten Personen mit den zu behandelnden Asylbegehrenden sichergestellt" ist und die Tätigkeit "unter der Verantwortung eines Arztes" erfolgt. Darüber hinaus dürfe die Berufsbezeichnung "Arzt" nicht geführt werden.

"Quasi per Handschlag zum Arzt"

Nichtsdestotrotz: Die Ärzteschaft äußerte bereits scharfe Kritik. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum auf alle qualitätssichernden Maßnahmen bei der Ausübung des Arztberufes, die für die Patientenversorgung notwendig sind, verzichtet werden soll", kritisiert der rheinland-pfälzische Landesärztekammer-Präsident Professor Frieder Hessenauer.

"Asylbewerber quasi per Handschlag zum Arzt zu ernennen" lehne die Ärztekammer "rigoros" ab. Die Kammer äußerte auch Zweifel daran, wie das vorausgesetzte Fachgespräch angesichts meist bestehender Sprachprobleme möglich sein soll.

Die Änderung der Ärzteordnung, die es erleichtern soll, ärztliches Personal aus den Reihen der Flüchtlinge in die Versorgung einzubinden, ist einer der Vorschläge, die Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in das Beschleunigungsgesetz eingebracht hatte.

Gesundheitskarte soll kommen

Das Gesetz sieht außerdem die vereinfachte Abrechnung mit der elektronischen Gesundheitskarte sowie eine Verbesserung des Impfschutzes für Asyl- und Schutzsuchende vor. "Die Flüchtlingssituation stellt auch unser Gesundheitssystem vor erhebliche Herausforderungen", heißt es in der Begründung des Gesetzes.

Ein verbesserter Impfschutz etwa sei nötig, "um die Gesundheit aller Menschen in unserem Land zu schützen".Trotz Widerstands in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU-Fraktion will Gröhe die Gesundheitskarte bundesweit einführen. Jüngst hatte auch der AOK-Bundesverband Bund und Länder aufgerufen, die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge flächendeckend einzuführen.

Bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse stößt die Forderung grundsätzlich auf Zustimmung. "Die Verantwortlichen im Gesundheitswesen sind gut beraten, vor den humanitären Herausforderungen nicht die Augen zu verschließen", teilte KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit am Mittwoch mit.

"Wichtig ist, dass es jetzt nicht zu faulen Kompromissen kommt, sondern zu einer Lösung, die eine unbürokratische medizinische Versorgung ermöglicht."

Das Gesetzespaket, das unter anderem Asylverfahren beschleunigen und die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte vereinfachen soll, steht beim Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag auf der Tagesordnung.

Vorgesehen ist unter anderem, Albanien, Kosovo und Montenegro als weitere "sichere Herkunftsstaaten" einzustufen, Asylbewerber künftig länger in Erstaufnahmeeinrichtungen zu halten und ihnen dort überwiegend Sachleistungen zu gewähren.

Hilfsorganisationen halten das geplante Asyl-Gesetzespaket der Bundesregierung für menschenrechtswidrig und fragwürdig. "Das ist ein Programm zur Entwürdigung von Menschen in Deutschland", sagte der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, am Mittwoch in Berlin.

Die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan, beklagte, die geplanten Leistungskürzungen widersprächen jedem Anstand. Die Einstufung weiterer "sicherer Herkunftsstaaten" sei unvereinbar mit dem Menschenrecht auf die faire Einzelprüfung jedes Asylantrags. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, es handele sich in Teilen um ein "Integrationsverweigerungsgesetz". (jk)

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