Interview

"Für Woldegk bin ich zuversichtlich"

Frank Michalak ist als Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost mit den Problemen vor Ort vertraut. Auch von den Kommunen fordert er, aktiv zu werden, um Ärzte zu finden. Für Woldegk sieht er gute Chancen, dass dies gelingt.

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Frank Michalak

Aktuelle Position: Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost

Ausbildung zum Krankenkassenfachwirt, AOK Ennepe-Ruhr

Karriere: ab 1990 beteiligt am Aufbau der AOK in Brandenburg, AOK-Vorstandsvorsitzender seit 2006, zunächst in Brandenburg

Privates: verheiratet, drei Kinder; ehrenamtlicher Richter; tätig auch als Fußballübungsleiter in der Jugendarbeit

Ärzte Zeitung: Herr Michalak, kann eine Aktion wie die Landarztsuche Orten wie Woldegk bei der Suche nach einem neuen Arzt helfen?

Frank Michalak: Ich bin zuversichtlich, weil hier die komplette Situation vor Ort in ihrer ganzen Tiefe geschildert wird. Wichtig ist, dass wir die Vor- und Nachteile der Region klar benennen, um den Interessenten ein detailliertes Bild des potenziellen Praxisstandortes zu liefern.

Ärzte Zeitung: Was hält Ärzte denn Ihrer Meinung bislang davon ab, in Orte wie Woldegk zu gehen?

Frank Michalak:Ganz sicher nicht das Geld - Sie haben ja in der vergangenen Folge schon gezeigt, wie gut die Verdienstmöglichkeiten für Hausärzte in Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich sind.

Aber Geld ist nicht alles, und ich kann gut verstehen, dass Ärzte genau hinschauen, welche Rahmenbedingungen eine Region bietet, in der sie vielleicht die nächsten Jahrzehnte ihres Lebens zubringen werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass fehlende Infrastruktur oft ein Hemmschuh ist.

Besonders jüngere Ärzte müssen sich darauf verlassen können, dass es Schulen und Kindergärten für ihren Nachwuchs auch in den nächsten Jahren noch in der Praxisumgebung geben wird. Der Ehepartner muss zudem einen entsprechenden Arbeitsplatz in der Region finden können.

Ärzte Zeitung: Hier sind also nicht nur Akteure aus dem Gesundheitswesen gefragt, sondern auch die Kommunen?

Frank Michalak: Ja, in dieser Frage sehe ich die KV Mecklenburg-Vorpommern auf einem guten Weg, sie tauscht sich mit dem Städte- und Gemeindetag und den Landkreisen aus. Das trägt dazu bei, dass die Kommunen für das Problem sensibilisiert werden.

Mein Eindruck ist, dass den kommunalen Entscheidungsträgern bewusst ist, dass sie nicht warten können, bis kein Arzt mehr in ihrem Ort ist. Sie müssen vorausschauend aktiv werden - so wie das der Springer Medizin Verlag und der AOK Bundesverband mit dieser Aktion vormachen.

Ärzte Zeitung: Was kann die Kommunalpolitik konkret leisten?

Frank Michalak: Da gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, wenn die Kommunen den niedergelassenen Arzt auch als Standortfaktor betrachten.

Hier sind Ideen aus der Wirtschaftsförderung gefragt, wie zum Beispiel Unterstützung bei der Suche nach einer Immobilie vor Ort. Ich erwarte von den Kommunen, dass diese Möglichkeiten auch ausgeschöpft werden.

Ärzte Zeitung: Wie dringend ist das Problem denn im Nordosten aus Ihrer Sicht, losgelöst von Woldegk?

Frank Michalak: Bundesweit betrachtet haben wir vor allem ein Verteilungsproblem bei den Ärzten. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Versorgungsdichte in Metropolen höher ist als auf dem Land.

Als AOK Nordost können wir das gut zwischen Berlin einerseits und Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg andererseits beobachten. Regional betrachtet ist ein drohender Ärztemangel in Teilen Mecklenburg-Vorpommers nicht mehr zu übersehen und für uns deshalb auch ein Topthema - das gilt nicht nur für den ambulanten Bereich.

Unsere Niederlassungen im Land bekommen ja sofort die Rückmeldung von den Versicherten, wenn die Versorgung in einer Region nicht optimal ist. Deshalb haben wir gemeinsam mit der KV schon Bausteine entwickelt, die Abhilfe schaffen sollen, u.a. eine schnellere Überweisungssteuerung vom Haus- zum Facharzt. Wir helfen unseren Versicherten auch mit einem Arztterminservice.

Ärzte Zeitung: Der löst aber nicht den Ärztemangel ...

Frank Michalak: Natürlich nicht. Es gibt Regionen wie Woldegk, wo für die Versorgung ein zusätzlicher Arzt vor Ort benötigt wird. Weil das aber nicht für jede Region gelingen kann, müssen wir kreativ werden und z.B. Patienten per Bus-Shuttle zu den Ärzten bringen.

Ärzte Zeitung: Welche weiteren Möglichkeiten gibt es, den drohenden Ärztemangel zu bekämpfen?

Frank Michalak: Grundsätzlich sehe ich noch Potenzial, wenn wir es schaffen, zwischen Stadt und Land auszugleichen. Alle Akteure müssen sich überlegen, wie der Unterschied in der Attraktivität für die Ärzte ausgeglichen werden kann.

Hilfreich wäre es auch, wenn wir die bestehenden Sektorengrenzen überwinden könnten und damit die Krankenhäuser, in MV speziell auch die Ärzte in den zahlreichen Reha-Kliniken an der Ostsee, in Absprache mit der KV in die ambulante Versorgung einbinden könnten.

Ärzte Zeitung: Ärzte kritisieren oft, dass ihnen zu wenig Zeit für die Patientenversorgung bleibt. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es dazu ein interessantes Projekt...

Frank Michalak: Die Delegation von ärztlichen Leistungen, die Sie meinen, ist ein wichtiger Trend für die Zukunft. So konnten wir die Zahl der Praxisassistentinnen Ende 2011 fast verdoppeln.

Die insgesamt 70 "Verahs" sind jetzt im gesamten Land im Einsatz, und ich hoffe, wir haben bald eine dreistellige Zahl. Dieser Ansatz sollte auch für Woldegk angestrebt werden.

Das Interview führte Dirk Schnack.

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