Dünne Mehrheit für begrenzte PID-Zulassung

Was darf die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Donnerstag der Bundestag. Die Positionen dreier fraktionsübergreifender Gruppen blieben unverändert. Entschieden wird vor der Sommerpause.

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Eine Fortpflanzungsmedizinerin studiert die Zellteilung. Wann das Leben beginnt ist Teil der PID-Debatte.

Eine Fortpflanzungsmedizinerin studiert die Zellteilung. Wann das Leben beginnt ist Teil der PID-Debatte.

© Grubitzsch / dpa

BERLIN (sun/af). Keine Zwischenrufe, keine Polemik. Bedacht und ohne laut zu werden, trugen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in der ersten Lesung zur umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID) am Donnerstag in Berlin ihre durchaus gegensätzlichen Standpunkte vor.

Die ernste - und von teilweise sehr persönlichen Motiven geprägte - Debatte belegt: Die Parlamentarier machen es sich bei dem hochsensiblen Thema nicht einfach. Die einen halten es für nicht möglich, bei einer Entscheidung für oder gegen das Leben einen Kompromiss zu finden.

Die anderen sehen durchaus mehr oder weniger eng gefasste Möglichkeiten, in vitro gezeugte Embryonen auf ihre genetische Disposition hin zu untersuchen. Die innere Zerrissenheit der Abgeordneten zeigt sich darin, dass einige ihre Meinung im Laufe der Beratungen geändert haben.

Der Bundestag diskutierte drei fraktionsübergreifende Anträge: Ein striktes Verbot der PID, eine Zulassung des Verfahrens in engeren und die in weiteren Grenzen. Es zeichnet sich eine dünne Mehrheit für eine PID-Zulassung in weiteren Grenzen ab.

Dafür haben 215 Abgeordnete um die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Ulrike Flach, und den CDU-Abgeordneten Peter Hintze einen Gesetzesentwurf vorgelegt.

Demnach soll die PID nach einer intensiven Beratung der werdenden Eltern und dem Votum einer Ethikkommission zulässig sein, wenn ein oder beide Elternteile die Veranlagung für "eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist".

"Es ist ein rechtlich sicherer, verlässlicher Weg für Familien in Not, begründete Flach den Entwurf." Ein Verbot der PID würde die betroffene Frau per Gesetz zwingen, den weitaus gefährlicheren Schwangerschaftsabbruch über sich ergehen zu lassen", sagte Flach.

Die Sorge, die PID könne aus populationsgenetischen Motiven zur Mode werden, teilte Flach nicht. Der Blick ins Ausland zeige, dass mit einem ethischen und quantitativen Dammbruch nicht zu rechnen sei. In Großbritannien, wo die Möglichkeit zur PID bestehe, seien im vergangenen Jahr 214 Fälle gezählt worden.

Unterstützung darin erhielt sie von Peter Hintze. Er schloss für sich aus, dass sich die Medizin dafür instrumentalisieren lasse, jeder Frau ein gesundes Kind zu garantieren. "Wir bringen den Ärzten und den Frauen mehr Vertrauen entgegen als dies die Verbotsbefürworter tun."

SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann wies darauf hin, dass "viele Betroffene bereits eine unvorstellebare Leidensgeschichte" hinter sich hätten. Mit 192 Stimmen kann der Antrag auf ein völliges Verbot der PID rechnen.

Dahinter haben sich mit der Grünen Birgitt Bender, der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und dem CSU-Abgeordneten Johannes Singhammer Politiker aller politischer Farben versammelt.

"Niemand soll über lebens- oder nicht lebenswertes Leben entscheiden dürfen, begründete Günter Krings von der CDU den Entwurf. Er fürchte zudem Begehrlichkeiten aus Forschung und Wirtschaft, wenn mit der PID überzählige Embryonen zuhauf entstünden.

Der dritte Antrag will die PID nicht für Erbkrankheiten zulassen, wohl aber dann, wenn Frauen genetisch dazu veranlagt seien, nur Tot-oder Fehlgeburten zu haben oder aufgrund dessen mit dem Tod des Kindes im ersten Lebensjahr zu rechnen ist. 36 Abgeordnete stehen für den Entwurf von René Röspel (SPD) und Priska Hinz (Grüne).

Diese Gruppe wolle nicht entscheiden, ob ein Leben gelebt werden dürfe, sondern lediglich darüber, ob ein Leben gelebt werden könne, sagte Röspel.Auch aus Sicht des SPD-Fraktionschefs, Frank-Walter Steinmeier, löst ein "striktes Verbot keine Fragen der Realität".

Es gehe nicht darum, zu selektieren oder gar zu töten, "es geht um Leben". Den Vorwurf, es sei ein Missbrauch des Verfahrens möglich, wies Steinmeier zurück. "Ein Missbrauch muss verhindert werden und das gelingt uns bereits in anderen medizinischen Grenzfragen." Das strikte Verbot der PID sei daher "eben nicht die höherwertige ethische Haltung".

Gegner der PID sehen das jedoch anders. Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SDP) betonte: "Ich habe aber auch Angst, dass wir Grenzen überschreiten."

"Ich meine, das menschliche Leben entsteht mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle", sagte Unionsfraktions-Vize Johannes Singhammer. Kompromisse zur Präimplantationsdiagnostik zu schließen sei daher nicht möglich. "Wie fühlt sich ein Kind, wenn es später erfährt, dass es Ergebnis einer Auswahl ist und seine Geschwister verworfen wurden", sagte Singhammer

Die Option auf Selektion verändert die Gesellschaft

Birgitt Bender (Die Grünen)

Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) spricht sich weiter für ein völliges "Verbot des Genchecks im Reagenzglas" aus. PID bedeute die Erzeugung von Embryonen zum Zwecke des Aussortierens und damit eine "Entscheidung über den Wert des Lebens" an sich.

Frauen, die sich gegen die PID entschieden drohe hoher sozialer Druck. Bender, die den Gesetzentwurf zum Verbot der PID mitverfasst hat, sagte: "Die Option auf eine Selektion würde unsere Gesellschaft verändern."

Im Augenblick ist PID erlaubt, aber ungeregelt

Priska Hinz (Die Grünen)

Priska Hinz ist die zweite Politikerin der Grünen, die einen Gesetzentwurf zur PID vorgelegt hat.

"Im Augenblick ist die PID erlaubt, aber völlig ungeregelt", begründet sie ihr Engagement. Diese Freiheit gehe ihr zu weit. "Es gibt Paare, denen man den medizinischen Fortschritt nicht verwehren darf". Eine Veranlagung für Darmkrebs sei aber kein Grund, PID zu erlauben, wie dies in Großbritannien geschehen sei. "Wir müssen verhindern, dass Frauen, die ein behindertes Kind gebären, dies begründen müssen."

Die Definition von engen Grenzen wird schwierig

Rudolf Henke (CDU)

Der strikte Gegner der PID, Rudolf Henke, regte weitere Diskussionen zu der Frage an, ob das umstrittene Verfahren zugelassen werden sollte oder nicht. Einige Fragen sind seiner Meinung nach noch nicht abschließend geklärt. Aber genau aus diesem Grund müsse die PID zu diesem Zeitpunkt strikt verboten werden. "Enge Grenzen können nicht so definiert werden, das sie wirklich greifen", betonte der Internist. Das fange bereits bei der Frage an, was "eine schwerwiegende Erbkrankheit" sei, so Henke.

Ein striktes Verbot löst keine Fragen der Realität

Frank-Walter Steinmeier (SPD)

Er habe "mit großer Ernsthaftigkeit" um eine Entscheidung gerungen, betonte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Schließlich handle es sich um "Grenzfragen des Lebens". Seiner Ansicht nach löst "ein striktes Verbot" der PID keine Fragen der Realität. Sein Grundsatz sei: Denjenigen, die in äußerster Seelennot sind, dürfe keine Hilfe verweigert werden. Es gehe nicht darum zu töten oder zu selektieren: "Es geht um Leben", so Steinmeier. Seiner Meinung nach kann ein Missbrauch verhindert werden.

Lesen Sie dazu auch das Interview: Abtreibungen erlauben, aber PID verbieten: "Das ist ein Widerspruch"

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