ARMIN

Therapiesicherheit und Compliance verbessern

Die Versorgung von Chronikern stellt Ärzte nicht selten vor große Herausforderungen. Denn oft sind ältere, multimorbide Patienten mit der Einnahme mehrerer Tabletten am Tag überfordert. Das Modellprojekt ARMIN in Sachsen und Thüringen, das im Juli startet, soll neue Wege aufzeigen.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Die drei Bausteine des Modellprojekts ARMIN zur Verbesserung der ambulanten Arzneimitteltherapie.

Die drei Bausteine des Modellprojekts ARMIN zur Verbesserung der ambulanten Arzneimitteltherapie.

© AOK/ARMIN

BERLIN. Mit der "Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen" (ARMIN) soll vor allem für chronisch kranke Menschen, die mehr als vier Medikamente täglich einnehmen müssen, die Therapiesicherheit verbessert und das Risiko von Einnahmefehlern verringert werden. Kerngedanke ist die Verordnung von Wirkstoffen anstelle von Fertigarzneimitteln. Die Teilnahme ist für Ärzte, Apotheker und Versicherte freiwillig.

Für den Dresdner Allgemeinmediziner Dr. Reiko Tacke ist ARMIN ein sinnvolles Projekt. Fast jeder dritte Patient in seiner Praxis gehört zur Gruppe der älteren multimorbiden Menschen.

"Ich habe nicht den Ehrgeiz, das Medikament einer bestimmten Firma aufzuschreiben", sagt Tacke, der während längerer Tätigkeit im Ausland bereits "sehr gute Erfahrungen mit dem Verschreiben von Wirkstoffen gemacht" hat.

Katalog mit 200 Wirkstoffen

Der Vorstandsvorsitzende der KV Sachsen, Dr. Klaus Heckemann, sieht in der Wirkstoffverordnung eine "konsequente Folge von Rabattverträgen". "Die Wirkstoffverordnung wird sich durchsetzen", so Heckemann, der sich durch das Projekt eine bessere Compliance der Patienten verspricht.

Als größten Vorteil des Projekts für Ärzte nennt die 1. Vorsitzende der KV Thüringen, Dr. Annette Rommel, "die doppelte, koordinierte Beratung durch den Hausarzt und den Apotheker.

Ohnehin hätten nur wenige Patienten Probleme mit der Umstellung auf Generika, deren Qualität "in der Regel sehr hoch ist". Rommel: "Ich bin da ganz pragmatisch. ,Mein Mann nimmt das auch‘ ist für viele Patienten ein überzeugendes Argument".

ARMIN ist ein Modellprojekt der Kassenärztlichen Vereinigungen und Apothekerverbände in Sachsen und Thüringen sowie der AOK PLUS. Basis des Projekts sind die drei Module Wirkstoffverordnung, Medikationskatalog und Medikationsmanagement.

Es wird stufenweise umgesetzt: Los geht es im Juli mit den Modulen Wirkstoffverordnung und Medikationskatalog. Dafür wurden rund 200 Arzneistoffe ausgewählt, die in der hausärztlichen Versorgung bedeutsam sind und hinsichtlich einer Substitution als unkritisch gelten.

Zudem wurde ein neues qualitätsgesichertes Verfahren für die Verordnung und Abgabe dieser Wirkstoffe entwickelt: Mithilfe der Praxis-EDV wird in der Arztpraxis automatisch eine standardisierte Wirkstoff-Verordnungszeile erzeugt. Der Apotheker wählt anschließend anhand des rezeptierten Wirkstoffs das passende Präparat aus.

Therapieempfehlungen für Ärzte

Die Therapieentscheidung des Arztes bleibt unangetastet. Gleichzeitig werden den Ärzten für bestimmte Krankheiten Therapieempfehlungen gegeben. Der Katalog listet evidenzbasiert Standard- und Reservewirkstoffe für wichtige Indikationen der Grundversorgung auf. Er umfasst zunächst die Indikationen Hypertonie, Herzinsuffizienz, Koronare Herzerkrankung, Vorhofflimmern, Fettstoffwechselstörung, Osteoporose, Depression und Demenz.

Als letzte Stufe wird Anfang 2015 das Medikationsmanagement gestartet. Dessen wesentlicher Bestandteil ist das Ausstellen eines Medikationsplanes für den Patienten, den Arzt und Apotheker gemeinsam betreuen.

Für den Dresdner Hausarzt Tacke ein echter Vorteil gegenüber dem Ist-Zustand: "Durch dieses Zusammenspiel habe ich einen besseren Überblick darüber, welche Medikamente meine Patienten tatsächlich einnehmen. Das ist bisher nicht unbedingt gegeben, zum Beispiel, wenn ein Patient verschiedene Fachärzte aufsucht."

Tacke würde es begrüßen, wenn ARMIN noch ausgeweitet würde: "Pflegeheimpatienten sind von dem Projekt ausgenommen. Das wäre sicher noch verbesserungswürdig."

Die zusätzlich nötigen Patientenberatungen durch die Wirkstoffverordnung und das zeitintensive Medikationsmanagement werden extra vergütet. Laut AOK-PLUS-Vorstandschef Rainer Striebel erhalten Ärzte und Apotheker im ersten Jahr für jeden AOK-PLUS-Patienten jeweils 157,50 Euro Honorar.

Zudem trägt die Gesundheitskasse die Investitionskosten für die Umstellung der Software in Praxis und Apotheke.

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