Nutzenbewertung

Schwierige Umsetzung in die Praxis

Innerhalb von zwei Jahren hat der Gemeinsame Bundesausschuss für 41 neue Wirkstoffe einen Zusatznutzen festgestellt, für 26 Wirkstoffe dagegen keinen. Die Arzneimittel sind unterschiedlich schnell auf dem Weg in die Versorgung. Woran liegt das? Brauchen Ärzte mehr Information?

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BERLIN. Seit Januar 2011 ist das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) mit der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln in Kraft.

Es sollte auch den Ärzten helfen, den Nutzen von Medikamenten für bestimmte Patientengruppen besser einzuschätzen und zugleich den schnellen Zugang zu Innovationen für Patienten weiter sicherstellen.

Doch welche Wirkung zeigt das Gesetz tatsächlich? Der Arzneiverordnungs-Report (AVR) 2014 zieht hier eine Bilanz aus den Jahren 2011 bis 2013.

Für 75 neue Wirkstoffe wurde in diesem Zeitraum eine Nutzenbewertung gemäß AMNOG begonnen. Davon hatten 41 Wirkstoffe in mindestens einer Indikation einen Zusatznutzen (13 beträchtlich, 22 gering, sechs nicht quantifizierbar), 26 Wirkstoffe hatten keinen Zusatznutzen, fünf Wirkstoffe wurden aus der Nutzenbewertung ausgenommen, drei Verfahren eingestellt.

Liegt es nur an der Indikation?

Interessant ist aber vor allem, dass die Wirkstoffe mit beträchtlichem Zusatznutzen gerade einmal auf ein Verordnungsvolumen von 15,36 Millionen definierten Tagesdosen (defined daily dosis, DDD) kamen.

Die Wirkstoffe mit einem geringen Zusatznutzen schafften es auf ein nicht unbedeutendes Verordnungsvolumen von 14,1 Millionen DDD. Das größte Verordnungsvolumen weisen für diesen Zeitraum aber die Wirkstoffe ohne Zusatznutzen mit 31,03 Millionen DDD auf.

Die Frage ist: Warum finden die Ergebnisse der Nutzenbewertung im Praxisalltag so wenig Beachtung? Das liegt sicherlich daran, dass die Wirkstoffe ohne Zusatznutzen große Indikationen wie beispielsweise Diabetes umfassen.

Gerade bei den Wirkstoffen mit beträchtlichem Zusatznutzen sind hingegen nicht selten sehr kleine Therapiegruppen und auch Orphan Drugs betroffen.

Es scheint aber auch eine Informationslücke zwischen den Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) und den Praxen zu geben.

Ein Grund für diese Informationslücke liegt sicherlich in dem eng getakteten Praxisalltag. Sich bei dem knappen Zeitbudget alle nötigen Informationen gerade zu neuen Wirkstoffen selbst zusammenzusuchen, ist da nicht immer einfach.

Patientengruppen sind entscheidend

"Ich weiß, dass Ärzte häufig unter großem Zeitdruck stehen", sagt der Herausgeber des Arzneimittelreports Prof. em. Dr. Ulrich Schwabe. Doch allein das Wissen, dass es einen Zusatznutzen gibt, reicht nicht. Ärzte müssen auch wissen, nach welchen Patientengruppen der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) differenziert hat.

Schwabe rät den Ärzten, sich externen Rat zu holen: "Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bietet umfangreiche Fortbildungen an", sagt der Heidelberger Pharmakologe, der selbst Mitglied der Kommission (AkdÄ) ist.

"Einziger Nachteil ist, dass diese Berater nicht in die Praxis kommen." Bei den Fortbildungen bekämen die Teilnehmer detaillierte Infos über die Entscheidungen des GBA und eine korrekte Zuordnung der Patienten-Gruppen. Schwabe: "Leider wird das Know-how der Pharmako-Therapieberater von den Ärzten noch viel zu selten genutzt."

Schnelle Hilfe im Web

Oder aber die Praxen nutzen die Website des Gemeinsamen Bundesausschusses (www.g-ba.de). Dort finden sie unter dem Stichwort "Frühe Nutzenbewertung" sämtliche Arzneimittel mit neuem Wirkstoff, für die der GBA eine frühe Nutzenbewertung gerade durchführt oder bereits abgeschlossen hat.

Dabei lässt sich gezielt nach verschiedenen Therapiegebieten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Infektionskrankheiten suchen. Ebenfalls selektiert werden kann nach noch laufenden oder bereits abgeschlossenen Verfahren.

Zudem können Ärzte Orphan Drugs aus ihrer Suche ausschließen oder eben nur nach diesen suchen. Genannt wird auf der GBA-Website immer auch die Vergleichstherapie.

"Das AMNOG hat ein gesetzliches Instrument geschaffen, mit dem viele Sorgen der Ärzte aufgefangen werden", sagt Schwabe. Die Informationen müssen aber eben auch in den Praxen ankommen. (eb)

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