Blinddarm-Op

Große Qualitätsunterschiede bei Kliniken

Die Appendektomie gehört zu den häufigsten Operationen - aber die Behandlungsqualität kann sich von Klinik zu Klinik gravierend unterscheiden. Der aktualisierte AOK-Krankenhausnavigator bietet Ärzten und Patienten einen Überblick.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:

BERLIN. Mit mehr als 139.000 Eingriffen gehört die Appendektomie zu den 50 am häufigsten vorgenommenen Operationen in Deutschland. Allein bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden im Jahr 2012 über 40.000 Blinddarmoperationen durchgeführt.

Damit ist die Appendektomie die häufigste Operation in dieser Altersgruppe. Nun hat die AOK diese Operation nach dem Verfahren zur "Qualitätssicherung mit Routinedaten" (QSR) ausgewertet.

Das Verfahren ermöglicht eine Langzeitbetrachtung von Behandlungsergebnissen, die über den eigentlichen Klinikaufenthalt hinausgeht.

So werden neben den Daten der Krankenhäuser auch Abrechnungsdaten aus der ambulanten Versorgung einbezogen, um spätere Komplikationen im Verlauf der Behandlung sichtbar zu machen.

Komplikation bei jeder 18. Op

Für die Blinddarm-Op hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) die Behandlungen von 103.246 AOK-Patienten im Zeitraum von 2010 bis 2012 analysiert und 946 Kliniken miteinander verglichen.

Insgesamt trat bei jeder 18. Operation und damit bei 5,69 Prozent eine Komplikation auf.

In 3,63 Prozent aller Fälle kam es zu einem ungeplanten Folgeeingriff innerhalb der ersten 90 Tage nach Klinikentlassung. Beispiele sind Spülungen im Bauchraum oder die Wiederherstellung des Darmes.

Bei 4,16 Prozent trat eine allgemeinchirurgische Komplikation auf, etwa versehentliche Stich- oder Risswunden oder Wundinfektionen. 0,34 Prozent der Patienten starben innerhalb der ersten 90 Tage nach einer Blinddarm-Op.

Gravierend sind die Unterschiede zwischen den Häusern. In dem Viertel der Kliniken mit den besten Ergebnissen lag der Anteil der Patienten mit Komplikationen unter 3,23 Prozent.

Dagegen lag in dem Viertel der Kliniken mit den schlechtesten Ergebnissen die Komplikationsrate bei 7,88 Prozent oder sogar noch höher. Das heißt: In den schlechten Kliniken sind mehr als doppelt so viele Patienten von Komplikationen betroffen.

Das QSR-Verfahren wird von der Krankenkasse seit 2010 zur Messung der Qualität von Klinikbehandlungen genutzt.

Bisher lagen Daten für Implantationen von Hüftgelenksprothesen bei Arthrose und Hüftfraktur, Implantationen von Kniegelenksprothesen, Gallenblasenentfernung bei Gallensteinen und für das Einsetzen von therapeutischen Herzkathetern (PCI) bei Patienten ohne Herzinfarkt vor.

Bewertung anhand von Symbolen

Die Ergebnisse der einzelnen Kliniken sind im Krankenhaus-Navigator der AOK veröffentlicht. Ärzte und ihre Patienten können sich dort eine Bewertung anhand von Symbolen anzeigen lassen.

Je nach Abschneiden kann eine Klinik ein, zwei oder drei "AOK-Lebensbäumchen" für unterdurchschnittliche, durchschnittliche oder überdurchschnittliche Qualität erhalten.

Einweisenden Ärzten bietet das Portal damit eine wissenschaftlich fundierte Basis für die Empfehlung eines Krankenhauses. Zudem nutzen viele Kliniken die Ergebnisse der Datenauswertungen schon seit Jahren für ihr Qualitätsmanagement.

"Der Blickwinkel ist durch QSR wegen der transsektoralen Abbildung wesentlich größer als bei anderen Vergleichen", konstatiert Professor Claus-Dieter Heidecke von der Universitätsklinik Greifswald.

"Man schaut nicht mit dem Teleobjektiv, sondern mit dem Weitwinkel auf die Sache", sagt Heidecke, der als Mitglied des Expertenpanels "Bauchchirurgie" an der Erarbeitung der wissenschaftlichen Qualitätsindikatoren für Blinddarm-Op mitgewirkt hat.

Die aggregierte Betrachtung verschiedener Qualitätsindikatoren in QSR sei die "beste Methode, die es im Moment gibt". Dennoch, so Heidecke, "muss beim Klinikvergleich Fairness gelten.

Die Krankheitsschwere eines Patienten muss in Zukunft noch stärker berücksichtigt werden."

Expertenmeinung zählt

In das QSR-Verfahren und dessen Weiterentwicklung sind Expertenpanels eingebunden.

Die einzelnen Panels orientieren sich an den medizinischen Fachdisziplinen und bestehen aus Ärzten und Praktikern mit besonderer Expertise in den zugehörigen Leistungsbereichen sowie aus Qualitätsexperten aus externen Einrichtungen und Institutionen.

Sie werden von Epidemiologen, Statistikern und Qualitätsexperten aus dem WIdO und dem AOK-Bundesverband unterstützt. Externe Experten arbeiten auf ehrenamtlicher Basis mit.

Derzeit gibt es Expertenpanels für die Fachbereiche Endokrine Chirurgie, Kardiologie, Orthopädie, Urologie, Bauchchirurgie und Geburtshilfe/Neonatologie.

"Wir beziehen die Experten bei der Definition der Leistungsbereiche und bei der Auswahl der Qualitätsindikatoren ein. Kriterien sind dabei unter anderem, dass die Indikatoren eine praktische Relevanz haben und praktikabel sind", sagt Christian Günster, Leiter des Fachbereiches Integrierte Analysen beim WIdO.

Außerdem bewerten die Expertenpanels die Eignung von Indikatoren für die öffentliche Berichterstattung.

Ferner machen die Panels Vorschläge für die Berücksichtigung von Unterschieden in der Morbidität verschiedener Patientengruppen oder die Berücksichtigung verschiedener Behandlungsverfahren und bewerten die Risikoadjustierung der Qualitätsindikatoren.

Lernendes System

Im Sinne eines lernenden Systems überprüfen die Expertenpanels regelmäßig die getroffenen Definitionen. Sie nehmen notwendige Aktualisierungen aufgrund von Änderungen in den Schlüsselkatalogen (ICD-10-GM, OPS) vor.

"Hinweise und Rückmeldungen von Kliniken und Fachgesellschaften zu den QSR-Indikatoren sind für uns oft sehr hilfreich. Sie fließen in die jährliche Überarbeitung ein", so Günster.

Die Aufgaben der Expertenpanels beschränken sich auf die Beratung bei der Definition von Leistungsbereichen und Qualitätsindikatoren, bei der Festlegung der Risikoadjustierung und auf die Bewertung von Indikatoren.

An der Kategorisierung von Kliniken in der öffentlichen Berichterstattung oder an daraus abgeleiteten Veröffentlichungen wie beispielsweise Kliniklisten sind die Expertengruppen nicht beteiligt.

Der Krankenhausnavigator im Netz: www.aok.de/krankenhausnavigator

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