Heilmittelverordnung

Eine Domäne der Hausärzte

Jede dritte Heilmittelverordnung kommt von einem Allgemeinmediziner, zeigt der neue WIdO-Bericht. Besonders häufig werden Psychotherapie und Sprachtherapie verordnet.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:

BERLIN. Wie aus dem jüngst vorgestellten Heilmittelbericht 2014 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervorgeht, wurde im Jahr 2013 mit rund 36 Prozent mehr als jede dritte Heilmitteltherapie von einem Allgemeinmediziner veranlasst. Ein gutes Viertel (26 Prozent) der Therapien wurde von Orthopäden verordnet.

Der mengenmäßig größte Teil aller Therapien innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entfiel im Berichtsjahr mit 36,5 Millionen Leistungen auf die Physiotherapie.

Dies entspricht knapp 242 Millionen einzelnen physiotherapeutischen Behandlungen im Wert von 3,86 Milliarden Euro und einem Anteil von rund 72 Prozent am Gesamtumsatz der verordneten Heilmittel.

Beinahe jeder zweite Besuch (knapp 49 Prozent) eines Patienten in einer physiotherapeutischen Praxis diente der Behandlung von Rückenbeschwerden.

Künftig genauere Diagnosen

Am häufigsten verordnet wurde die Krankengymnastik, hauptsächlich aufgrund von Rückenbeschwerden (43 Prozent) oder wegen einer Erkrankung des Beckens oder der Extremitäten (36 Prozent).

Waren die in den Verordnungen angegebenen Indikationen - beispielsweise bei Rückenbeschwerden - bisher wenig aussagekräftig, werden genauere Angaben künftig eher Rückschlüsse auf die genauen Gründe zulassen.

"WS 1" oder "WS 2" für Wirbelsäulenbeschwerden mit langfristigem oder kurzfristigem Behandlungsbedarf lauten bisher die therapiebegründenden Angaben. Analysen, die den direkten Zusammenhang zwischen Erkrankungen und Heilmittelbehandlung untersuchen, waren auf dieser Basis bisher nicht möglich.

Seit Juli 2014 muss die Diagnose jedoch regelhaft in Form des therapierelevanten ICD-10-Schlüssels auf der Heilmittelverordnung angegeben werden. Der Schlüssel dient dazu, die bundeseinheitlich vereinbarten Praxisbesonderheiten und Verordnungen aufgrund eines langfristigen Heilmittelbedarfs zu identifizieren.

Aber die Angabe der ICD-10-Schlüssel wird künftig auch dabei helfen, die medizinischen Auslöser der Heilmitteltherapie genauer zu beschreiben. Regionale Variationen von speziellen Erkrankungen und unter Umständen regionaltypische Therapieformen können so untersucht werden.

Damit lässt sich künftig zeigen, dass beispielsweise die physiotherapeutische Behandlung von Rückenbeschwerden in einer Region eher auf Bandscheibenschäden (M50 oder M51) zurückzuführen sind und in einer anderen Region eher auf so unterschiedliche Beschwerdebilder wie Skoliose (M41) oder Juvenile Arthritis (M80). Und mehr Transparenz kann Ärzten und Krankenkassen helfen, Patienten in einer Region noch bedarfsgerechtere Versorgungsangebote zu unterbreiten.

Immer mehr Sprachtherapien

Ein hoher Anteil der Heilmittelverordnungen entfiel der Erhebung zufolge auf Kinder im Einschulungsalter und in den ersten Grundschuljahren: Die altersgerechte Sprech- und Sprachentwicklung wurde im Jahr 2013 bei jedem vierten sechsjährigen Jungen therapeutisch unterstützt.

Damit setzte sich die seit Jahren beobachtete Tendenz zunehmender Verordnungen in diesem Bereich fort. Von den sechsjährigen Mädchen war 2013 jedes sechste zeitweilig in sprachtherapeutischer Behandlung. Knapp die Hälfte (48 Prozent) aller sprachtherapeutischen Therapien wurden 2013 Kindern zwischen fünf und neun Jahren verordnet.

Auch bei der Ergotherapie waren Kinder und Jugendliche das Gros der Patienten: 40 Prozent waren im Berichtszeitraum jünger als 15 Jahre; etwa 70 Prozent dieser Patienten waren Jungen.

Wie bei der Sprachtherapie wurden die meisten Ergotherapien im Einschulungsalter verordnet: 2013 waren von 1000 AOK-versicherten sechsjährigen Jungen 125 in ergotherapeutischer Behandlung. Von den gleichaltrigen Mädchen befanden sich 51 in dieser Therapieform.

"Der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule wird in Deutschland zu großen Teilen mit ergotherapeutischer und logopädischer Hilfe gemeistert", erläutert Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer.

"Nach den deutlichen Steigerungen in den letzten Jahren mit immer mehr Grundschulkindern in diesen Therapien scheint das Verordnungsgeschehen nun auf einem hohen Niveau zu stagnieren."

Heilmittelbericht: Zahlenwerk sorgt für Transparenz

Im jährlich erscheinenden Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) wird die Heilmittelversorgung im Sektor der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen vorgestellt. Für den Heilmittelbericht 2014 hat das WIdO die 2013 für etwa 70 Millionen GKV-Versicherte ausgestellten Heilmittelrezepte ausgewertet.

Nach der jüngsten Analyse hat 2013 jeder der über 142.600 Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenversicherung rein rechnerisch 301 Heilmittelleistungen verordnet. Insgesamt waren das knapp 43 Millionen Heilmittelleistungen. Das entspricht einem Umsatz von 5,4 Milliarden Euro. Bei durchschnittlich 6,6 Behandlungen je Verordnung wurden die gesetzlich Versicherten dadurch insgesamt mit knapp 285 Millionen einzelnen Behandlungssitzungen versorgt.

76,18 Euro pro Kopf

Der Heilmittelbericht analysiert Trends der Versorgung für die vier Heilmittelbereiche Ergotherapie, Sprachtherapie, Physiotherapie und Podologie. Zudem dokumentiert er, welche Therapien die Versicherten regional in Anspruch nehmen.Rechnerisch erhielt dem Bericht zufolge jeder gesetzlich Krankenversicherte im Durchschnitt Heilmittel für 76,18 Euro. Allerdings lag der Bruttoumsatz für Heilmittel je GKV-Versichertem in den östlichen Bundesländern wegen der Preisstruktur unter den Umsätzen der westlichen Bundesländer.

Eine Ausnahme bildete die KV Sachsen mit 95,81 Euro je GKV-Versichertem. Als Grund dafür wird in dem Bericht die hohe Versorgungsdichte dort genannt. Von den westlichen Bundesländern lagen die KV Westfalen-Lippe mit 59,41 Euro pro Versichertem, die KV Hessen mit 64,94 Euro und die KV Bremen mit 66,54 unter dem Bundesdurchschnitt. (Ebert-Rall)

Der Heilmittelbericht steht zum kostenlosen Download unter: www.wido.de/heilmittel_2014.html

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