PREFERE-Studie

Die Zweitmeinung funktioniert

Die PREFERE-Studie ist eines der größten urologischen Forschungsprojekte in Deutschland. Schon jetzt ist klar, dass sie die Diagnostik verbessert. Prof. Dr. Glen Kristiansen vom Institut für Pathologie des Uniklinikums Bonn berichtet über die bisherigen Erfahrungen mit der Referenzpathologie der ersten 300 Fälle.

Von Peter Willenborg Veröffentlicht:
Prostatakrebszellen: Die PREFERE-Studie soll beantworten, welche Therapie bei begrenztem Prostata-Ca besser geeignet ist: Radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie oder Active Surveillance.

Prostatakrebszellen: Die PREFERE-Studie soll beantworten, welche Therapie bei begrenztem Prostata-Ca besser geeignet ist: Radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie oder Active Surveillance.

© Murti / SPL / Agentur Focus

Ärzte Zeitung: In der PREFERE-Studie erfolgt standardmäßig eine Zweitbegutachtung des Gewebes, das bei der Biopsie entnommen wurde. Ist dieser zusätzliche Aufwand gerechtfertigt?

Professor Dr. Glen Kristiansen

Die Zweitmeinung funktioniert

© Privat

Professor Dr. Glen Kristiansen ist Direktor am Institut für Pathologie am Uniklinikum Bonn. Das Institut beteiligt sich als Referenzpathologie an der bundesweiten PREFERE-Studie..

Prof. Dr. Glen Kristiansen: In klinischen Studien ist es Standard: Wenn die Einschlusskriterien stark von einem histologischen Befund abhängen, wird diese Befundung durch ein Panel von Pathologen in definierter Weise durchgeführt. Dies dient der Sicherung einer hohen Studienqualität und wird daher auch durch das Protokoll der PREFERE-Studie vorgeschrieben und durch die Träger finanziert.

Für den niedergelassenen Urologen, der seinen Patienten zu einem Prüfzentrum schickt, entsteht kein Mehraufwand. Das Prüfzentrum kontaktiert den Primärpathologen und bittet um Übersendung der Originalschnitte an eines der fünf Referenzzentren.

Dafür erhält der Primärpathologe eine Aufwandsentschädigung. Der Referenzpathologe erstellt innerhalb von drei Werktagen einen Befund, den zuerst der einsendende Pathologe, einen Tag später der zuweisende Urologe und das Prüfzentrum erhalten.

Wie sind die ersten Erfahrungen mit dieser Zweitbegutachtung?

Kristiansen: Die Erfahrungen sind ermutigend. Die Abläufe haben sich mittlerweile gut eingespielt. Die Kommunikation zwischen den Experten im Referenzpathologen-Panel, die in Rostock, Berlin, Dresden, Bonn und Erlangen tätig sind, funktioniert vorbildlich.

Bei fallbezogenen Schwierigkeiten oder allgemeinen Fragen ist es bislang immer gelungen, innerhalb eines Tages, manchmal sogar innerhalb weniger Stunden über E-Mails einen Konsens zu erzielen.

Und wie sehen die inhaltlichen Ergebnisse aus?

Kristiansen: Sehr erfreulich. Bei nahezu allen 300 untersuchten Patienten konnte die Karzinomdiagnose bestätigt werden, was die hohe Qualität der diagnostischen Pathologie in Deutschland bestätigt.

Wie hoch war denn der Anteil der falschen Diagnosen?

Kristiansen: Bei zwei Prozent der Nachbegutachtungen konnte kein Karzinom bestätigt werden. Sogenannte Nachahmerläsionen oder Mimicker lesions, die einem Karzinom täuschend ähnlich sehen, hatten zu diesen Fehleinschätzungen geführt. Erwartungsgemäß gab es aber auch andere Studienausschlüsse nach Zweitbegutachtung, die insgesamt 21 Prozent der Fälle betrafen.

Dies war allerdings nicht immer dem primären Befund anzulasten. In manchen Fällen war dieser vollkommen korrekt, entsprach aber trotzdem nicht den Einschlusskriterien der Studie. Offenbar wurden die Befunde in Teilen nicht richtig verstanden. Positiv gesprochen: Hier zeigt die Studie Optimierungspotenzial bei der Kommunikation auf.

Histologische Einschlusskriterien für PREFERE sind ein Gleason Score von maximal 3+4=7a - bei einem Anteil von tumorbefallenen Stanzen an der Gesamtzahl der entnommenen Stanzen unter 33 Prozent mit einem größten zusammenhängenden Tumorherd unter fünf Millimeter - oder alle Tumoren mit einem Gleason Score von 3+3=6. Viele Befunde entsprachen nicht unseren Einschlusskriterien.

Können Sie das spezifizieren? Woran genau hat es gelegen, dass die Patienten nicht in die PREFERE-Studie eingeschlossen werden konnten?

Kristiansen: In 36 Prozent der Ausschlüsse war das Karzinom zu ausgedehnt, um in diese Niedrig-Risiko-Studie eingeschlossen werden zu können, hier waren tumortragende Stanzzylinder primär als negativ bewertet worden.

In 27 Prozent der Fälle war das Karzinom in der einzelnen Stanze zu groß, in 25 Prozent der Fälle zu bösartig, der zulässige Gleason Score war überschritten. In ganz seltenen Fällen war aber auch ein hochgradiges Karzinom mit einem Gleason von 9 bis 10 übersehen und z. B. als Entzündung interpretiert worden.

Diese gravierenden Fehler sind aber Einzelfälle. Häufiger ist schon ein Mangel an Präzision bei der Primärbefundung, der gerade bei der Frage nach Eignung für die Therapieoption Active Surveillance auffällig wird. Allerdings ist hier ein Trend zu einer Verbesserung erkennbar. Dies ist möglicherweise bereits eine Folge der PREFERE-Studienarbeit.

Wie lautet Ihr Zwischenfazit zur PREFERE-Referenzpathologie?

Kristiansen: Die Zweitmeinung funktioniert, sie verbessert die Studienqualität und schützt die Patienteninteressen. Eine detailliertere Statistik wollen wir nach Vorliegen der ersten 1000 Fälle liefern. Dies wird ein erstes solides Ergebnis der Studie sein.

Aber schon heute ist klar: Der Patient profitiert von der Referenzpathologie durch doppelte Sicherheit in Bezug auf seinen Befund, wenn die Diagnose des Erstuntersuchers bestätigt wird und so das Risiko einer Über- oder Unterbehandlung verringert werden kann.

Aufruf an Ärzte: Patienten für Studie gesucht

7600 Patienten sollen bei der PREFERE-Studie mitmachen. Noch liegt die Teilnehmerzahl aber deutlich darunter.

BONN. Wenn jeder niedergelassene Urologe in Deutschland drei Patienten in die PREFERE-Studie einbringt, kann das Rekrutierungsziel erreicht werden. Darauf macht aktuell die Aktion "Drei Patienten für PREFERE" aufmerksam, mit der die Praxen angesprochen werden.

Die Rekrutierungszahlen haben zuletzt angezogen, bleiben aber nach wie vor weit hinter den Erwartungen der Initiatoren zurück: Bis Ende 2015 sind 321 Patienten in die Studie eingebracht worden - das Ziel liegt aber bei insgesamt 7600 Patienten.

Um die Rekrutierung zu erleichtern, hat das Steering Committee der Studie Ende 2015 einige Änderungen an den Ein- und Ausschlusskriterien vorgenommen. Unter anderem wurden die Mindestzahl der benötigten Stanzbiopsien verringert und die histologischen Einschlusskriterien gelockert.

Zur schleppenden Rekrutierung äußerte sich Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, in einer Publikation des Berufsverbandes der Deutschen Urologen: "Ich glaube, die Art der Aufklärung der Patienten ist entscheidend", betonte Bruns.

"Wer als Patient vom Urologen seines Vertrauens hört, dass niemand derzeit sicher wisse, was der richtige Ansatz sei und dass zurückliegende Therapieentscheidungen nicht auf systematisch erhobener wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern vielmehr auf Erfahrung beruhten, wird eine Studienteilnahme sehr viel eher in Erwägung ziehen."

Auch Hausärzte sollten infrage kommende Patienten auf die Studie hinweisen. Teilnehmen können unbehandelte Männer mit einem Prostatakarzinom im frühen Stadium (Gleason Score bis maximal 7a).

Die PREFERE-Studie vergleicht die vier nach der S3-Leitlinie empfohlenen Therapieoptionen: Radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie, Brachytherapie und Active Surveillance.

Die Studie soll die offene Frage klären, von welcher Behandlung die Patienten unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Komplikationen auf lange Sicht am meisten profitieren. (Peter Willenborg)

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