Qualitätsmanagement

Routinedaten fürs eigene QM nutzen

Ob bei der Arzneitherapiesicherheit oder der Koordination der Versorgung: Ärzte, die wissen möchten, wo sie hier stehen, können sich im Projekt QuATRo einen Überblick über die Qualität ihrer eigenen Arbeit verschaffen. Bei einem Workshop in Berlin tauschten sich Ärzte und Netzmanager über ihre Erfahrungen mit dem Projekt aus.

Von Taina Ebert-Rall Veröffentlicht:
Diskutieren die Qualitätsergebnisse (v.l.): Dr. Ekkehard Bronner (Praxisnetz Reinickendorf), Dr. Jürgen Oldenburg (AGBAN), Ludwig Schaffner-Kubicki (Praxisnetz Neukölln-Tempelhof) und Elisabeth Fichtel (AOK Nordost).

Diskutieren die Qualitätsergebnisse (v.l.): Dr. Ekkehard Bronner (Praxisnetz Reinickendorf), Dr. Jürgen Oldenburg (AGBAN), Ludwig Schaffner-Kubicki (Praxisnetz Neukölln-Tempelhof) und Elisabeth Fichtel (AOK Nordost).

© Schaller / AOK Bundesverband

BERLIN. 25 Arztnetze arbeiten inzwischen zusammen mit den AOKs Bayern, Nordost, PLUS und Rheinland/Hamburg mit "Qualität in Arztnetzen – Transparenz mit Routinedaten", kurz QuATRo. Über 100.000 Versicherte profitieren davon. Seit diesem Jahr setzt die AOK PLUS die Qualitätsmessung auf der Basis von QuATRo zudem in der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Thüringen ein, an der über 160.000 Versicherte teilnehmen. Rund 1400 Hausärzte und 640 Fachärzte engagieren sich in dem Projekt mit dem Ziel, standardisierte Qualitätsberichte zur Messung der Qualität in der ambulanten Versorgung zu etablieren. Ab Herbst sollen zwei weitere Netze aus Hessen dazu kommen.

"Die AOK setzt auf Arztnetze, um gemeinsam praktische Erfahrungen in Bezug auf ambulante Qualitätsarbeit zu sammeln", erläuterte Elisabeth Fichtel aus dem Bereich Versorgungsmanagement der AOK Nordost. "Durch die regelmäßigen Gespräche entsteht eine hohe Verbindlichkeit, zur Verbesserung der Versorgungsqualität an einem Strang zu ziehen", hob sie beim vierten jährlichen Workshop im Mai hervor. Die Workshops haben auch zum Ziel, die Qualitätsindikatoren und das QuATRo-Feedbackverfahren weiterzuentwickeln.

Keine zusätzliche Doku in der Praxis

Ein Arzt, der von Anfang an dabei ist, ist der Berliner Allgemeinmediziner Ludwig Schaffner-Kubicki, Vorstandsvorsitzender des Praxisnetzes Neukölln-Tempelhof e.V. Der überwiegende Teil seiner Patienten leidet an chronischen Erkrankungen, allein 120 sind Diabetiker, die in Disease-Management-Programme eingeschrieben sind. Er sieht den Vorteil des QuATRo-Projekts vor allem in der gegenseitigen Unterstützung. "Qualitätskriterien zu finden, ist in der Medizin ohnehin nicht leicht. Das Datenmaterial zusammenzustellen und auszuwerten ist allein und in der einzelnen Praxis nicht zu schaffen", sagt er. "So müssen bei der Auswertung ganz unterschiedliche Faktoren, zum Beispiel die Altersstruktur der Patienten, berücksichtigt werden."

Hier greift das AOK-Projekt QuATRo. Dessen Auswertungen basieren auf sogenannten Routinedaten, die zu Abrechnungszwecken erhoben werden und den Kassen ohnehin vorliegen. Daher müssen Ärzte nichts zusätzlich dokumentieren. Im Mittelpunkt steht der Patient. QuATRo analysiert, ob er die Leistungen oder Arzneimittel erhält, die medizinische Leitlinien empfehlen. Was zählt, sind die Leistungen, die beim Patienten ankommen, unabhängig davon, welcher Arzt diese Leistungen veranlasst. Dadurch wird der Arzt in seiner Rolle als Koordinator unterstützt.

40 Indikatoren stehen bereit

Inzwischen werden im Projekt 40 Qualitätsindikatoren berechnet, die aus dem Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung (QiSA) stammen. Dieses System ist in mehrjähriger Zusammenarbeit zwischen dem AOK-Bundesverband und dem Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) entstanden. Die Indikatoren sind wissenschaftlich fundiert, wodurch die Qualitätsmessungen eine hohe Akzeptanz erfahren. Schließlich wird die Auswahl praktisch relevanter Indikatoren, deren Modifikation sowie die Weiterentwicklung des Feedbacksystems eng zwischen Netzmanagern und AOK abgestimmt. Ein Beispiel dafür ist die Analyse der Verordnungszahlen potenziell inadäquater Medikamente für ältere Patienten (PRISCUS-Liste).

Die datengestützte Analyse ermöglicht es, Optimierungspotenzial zu finden, das den Teilnehmern systematisch zurückgemeldet wird. Seit etwa einem Jahr sind die Qualitätsvergleiche auch für einzelne Ärzte innerhalb eines Netzes möglich. Dafür können die Netzmanager auf ein Software-Tool zurückgreifen, das vom AOK-Bundesverband entwickelt wurde. Mit dem Tool können die teilnehmenden Netze ohne großen Aufwand Qualitätsberichte für einzelne Praxen generieren und Indikatoren auswählen, die für die jeweilige Praxis interessant sind. Die Berichte können dann zum Beispiel für die netzinterne Qualitätszirkelarbeit genutzt werden. Für Schaffner-Kubicki ist das ein wichtiger Punkt. "Mit QuATRo können wir Qualitätsmessung auch in der einzelnen Praxis üben. Und erkennen zum Beispiel, dass die Praxis gute Arbeit leistet, wenn sie 70 Prozent ihrer Diabetiker in einem guten Bereich hat."

Auch Dr. Ekkehard Bronner findet die Idee, ohnehin vorhandenes und gutes Datenmaterial für die Qualitätsmessung zu nutzen, bestechend. Seine internistische Hausarztpraxis liegt im idyllischen Berliner Norden, er gehört dem Vorstand des Praxisnetzes Reinickendorf an. Zwei Drittel seiner meist älteren Patienten sind Chroniker. Einen wichtigen Vorteil des Austauschs mit Kollegen durch QuATRo sieht er etwa in den Denkanstößen, die die Diskussionen darüber immer wieder bieten. "So können wir einander gegenseitig unterstützen und helfen." Auch tragen die regelmäßigen Audits nach seiner Erfahrung zu besseren Arbeitsabläufen in der Praxis bei. "Für mich hat es sich gelohnt, Qualität in die Abläufe zu bringen", so Bronner, der seine Praxis vor 13 Jahren übernommen hat. Ihm, seiner Praxis und den Patienten kam dabei zugute, dass sich eine Mitarbeiterin gerne mit dem Thema Qualität beschäftigt und das Vorgehen in bestimmten – meist technischen – Bereichen vereinheitlicht werden konnte.

Patientenbindung wird gestärkt

Die Praxisnetze Reinickendorf und Neukölln-Tempelhof gehören zur Arbeitsgemeinschaft Berliner Arztnetze (AGBAN), das ist ein Zusammenschluss von bislang sechs Berliner Netzen. Mindestens zweimal jährlich diskutieren die Beteiligten aus diesen Netzen ausgesuchte QuATRo-Themen und entwickeln dabei auch Handlungsempfehlungen, erläutert Dr. med. Jürgen Oldenburg, Sprecher der AGBAN und Geschäftsführer der DeltaMed Nord GmbH & Co. KG. "Das Thema Ergebnisqualität kommt langsam bei den Patienten an", sagt Oldenburg, der seit vielen Jahren Netze managed. Und: "Ärzten, die sich auf dieser freiwilligen Basis um Transparenz der eigenen Leistungsqualität bemühen, kann das gar nicht hoch genug angerechnet werden." Oldenburg: "Die gute Akzeptanz bei den Praxen liegt auch darin begründet, dass die Praxen handfeste Tipps erhalten, die beispielsweise eine stärkere Patientenbindung erzeugen, die Effizienz der Abläufe verbessern oder dem Praxisinhaber mehr Sicherheit geben."

QuATRo

» Rund 1400 Hausärzte und 640 Fachärzte engagieren sich bereits im Projekt "Qualität in Arztnetzen – Transparenz mit Routinedaten" (QuATRo).

» An dem Projekt sind die AOKs Bayern, Nordost, PLUS und Rheinland/Hamburg beteiligt.

» Seit diesem Jahr setzt die AOK PLUS die Qualitätsmessung auf der Basis von QuATRo zudem in der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Thüringen ein, an der über 160.000 Versicherte teilnehmen.

» Die methodische Grundlage für die Datenanalyse liefert das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung (QiSA).

Weitere Informationen zu QuATRO und QISA unter www.qisa.de (> QISA in der Praxis)

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