Nach der Flucht

Ärzte helfen Ärzten

In Berlin haben Mediziner ein Patenschaftsnetzwerk gegründet, um geflohenen Berufskollegen aus Syrien das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Dahinter steht der nun mit dem Berliner Gesundheitspreis ausgezeichnete Verein Alkawakibi.

Von Silke Heller-Jung Veröffentlicht:
Dr. Susanne Amberger begleitet als Mentorin syrische Kollegen. Die persönlichen Kontakte helfen dabei, die deutsche Sprache zu lernen und sich weniger fremd zu fühlen.

Dr. Susanne Amberger begleitet als Mentorin syrische Kollegen. Die persönlichen Kontakte helfen dabei, die deutsche Sprache zu lernen und sich weniger fremd zu fühlen.

© Timo Blöß/KomPart

BERLIN. Ein Zeitungsartikel gab den Anstoß für das Engagement des Berliner Psychoanalytikers Dr. Rainer Katterbach. Auch Tage später ging ihm der Bericht über das Schicksal eines aus Syrien geflohenen Arztehepaares nicht aus dem Kopf. Und so machte Katterbach sich schließlich auf den Weg ins Aufnahmelager Marienfelde. Im persönlichen Gespräch mit syrischen Kollegen erfuhr er dort, dass sich viele von ihnen bei aller Dankbarkeit gegenüber dem Land und der Stadt, die sie aufgenommen hatten, fremd und orientierungslos fühlten. Der Verlust ihrer Existenz, die Erlebnisse auf der Flucht und die ungewisse persönliche und berufliche Zukunft setzte ihnen zu; hinzu kamen fehlende Sprachkenntnisse, unzureichende Informationen und der Umstand, dass sie kaum persönlichen Kontakt zu Deutschen hatten.

Orientierung bieten

Katterbach, der ehemalige Chefarzt der Nervenklinik Spandau, hatte eine Idee: "Statt die täglichen Schreckensmeldungen vom Schicksal syrischer Ärzte über uns ergehen zu lassen, könnten wir doch die syrischen Kolleginnen und Kollegen unterstützen." Gemeinsam mit einigen deutschen und syrischstämmigen Berliner Medizinerinnen und Medizinern gründete er das Patenschaftsnetzwerk "Ärzte helfen Ärzten", in dem Ärzte, Zahnärzte und Apotheker als ehrenamtliche Mentoren geflohene Berufskollegen betreuen. Zwei syrische Kollegen waren bereits bei "Alkawakibi", einem Verein für Demokratie und Menschenrechte, in der Flüchtlingsbetreuung aktiv. So wurde auch das Projekt "Ärzte helfen Ärzten" unter dem Dach dieses Vereins angesiedelt.

Bei dem Hilfsangebot geht es nicht um materielle Unterstützung oder Vermittlung von Arbeit, sondern um Begleitung und Orientierung, erläutert Rainer Katterbach. Wichtig ist den Initiatoren, dass das Projekt auch dem Gemeinwohl dient: "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Deutschland dringend Ärzte brauchen." Rund fünfzig Berliner Mediziner sind in dem Netzwerk aktiv; weitere Unterstützer sind jederzeit herzlich willkommen. Über 180 (Zahn-)Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker wurden oder werden bereits begleitet; im Frühjahr 2017 gab es rund 40 Mentor-Mentee-Paare. Ein Flüchtling setzt mittlerweile sein Studium fort, einer promoviert, und mindestens zwölf syrische Ärzte haben bereits ihre Berufserlaubnis erhalten.

Ankommen in Deutschland

Der Weg dorthin ist mühsam. "Es vergehen im Schnitt mindestens zwei Jahre, bis der Kollege alle Voraussetzungen für die Approbationserteilung erfüllt", erklärt Mentorin Dr. Susanne Amberger. Zunächst gilt es, Deutsch zu lernen. "Sprachkenntnisse sind das A und O, wenn man in einem fremden Land Fuß fassen will", bekräftigt Dr. Günther Jonitz, der Präsident der Ärztekammer Berlin. "Das gilt in besonderem Maße, wenn es um die Behandlung von Patienten geht." Die Mentoren üben mit ihren Kollegen für die Fachsprachprüfung, machen mit ihnen Ausflüge oder nehmen sie mit zu ärztlichen Fortbildungen.

Ein zentraler Termin ist das Deutsch-Syrische Forum, bei dem sich alle vier bis sechs Wochen deutsche und syrische Mediziner in den Räumen des Berliner Beratungszentrums für junge Flüchtlinge und Migranten (BBZ) treffen. "Für manche syrischen Kollegen ist das die einzige Möglichkeit, sich mit deutschen Ärzten zu unterhalten", sagt Susanne Amberger. In Sprachworkshops wird die medizinische Fachsprache trainiert, in Rollenspielen die Arzt-Patient-Kommunikation geübt. Seit Juni dieses Jahres stellt die Ärztekammer Berlin dafür einmal im Quartal einen größeren Raum zur Verfügung.

Rege genutzt wird auch der Messengerdienst WhatsApp: Hier gibt es mittlerweile eigene Gruppen für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Medizinstudenten. Auf der Internetseite des Vereins Alkawakibi stehen Informationen und Links rund um die ärztliche Berufsanerkennung und -ausübung bereit. Seit Mai 2017 unterstützt eine Projektkoordinatorin die Arbeit der ehrenamtlichen Mentoren. Seitdem bleibt Rainer Katterbach, Susanne Amberger und ihren Mitstreitern mehr Zeit, um geflüchtete Kolleginnen und Kollegen in ihrer Mitte zu begrüßen: "Marhaba! Seid willkommen!"

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