Versorgungsstärkungsgesetz

Die wichtigsten Änderungen in der Übersicht

Union und SPD schrauben am Versorgungsstärkungsgesetz: Die bislang 57 Änderungsanträge gehen sehr ins Detail - doch die Ärgernisse Terminservicestellen und Aufkaufregelung bleiben.

Von Rebecca Beerheide und Florian StaeckFlorian Staeck Veröffentlicht:
Die Koalition dreht an den Stellschrauben des Gesetzes.

Die Koalition dreht an den Stellschrauben des Gesetzes.

© electriceye/ fotolia.com

BERLIN. Die große Koalition legt letzte Hand an das Versorgungsstärkungsgesetz.

In 57 Änderungsanträgen wird der politische Konsens, den SPD und Union kürzlich gefunden haben, in Rechtsform gegossen.

Aus dem 111-Seiten-Konvolut, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, geht hervor, dass die Koalition an den Terminservicestellen und der Aufkaufregelung mit geringfügigen Polituren festhält.

Die Ärzteschaft lehnt beide Pläne entschlossen ab. Auf dem 118. Deutschen Ärztetag in Frankfurt/Main ließen die Delegierten kein gutes Haar am Referentenentwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes.

Das Gesetz soll vermutlich am 12. Juni im Bundestag beschlossen werden. Die Kernpunkte im Überblick:

Terminservicestellen

Die Regelung, wonach binnen maximal vier Wochen ein Facharzttermin vermittelt werden soll, soll auch für psychotherapeutische Sprechstunden gelten.

Der Gesetzgeber "erwartet", dass - nach der Überarbeitung der Psychotherapie-Richtlinien - Patienten "spätestens" ab Januar 2017 Termine beim Psychotherapeuten vermittelt bekommen.

Außerdem soll die KBV, spätestens erstmals zum Juni 2017, die Arbeit der Terminservicestellen evaluieren.

Aufkaufregelung

Mit dem Änderungsantrag wird die "Toleranzgrenze", ab der die obligatorische Aufregelung von Arztsitzen gilt, von 110 auf 140 Prozent hochgesetzt.

Es bleibt dabei, das ab einem Versorgungsgrad von 140 Prozent das Ermessen des Zulassungsausschusses darüber, ob ein Nachbesetzungsverfahren angeordnet wird, eingeschränkt ist.

Weiterbildung

Die Koalition will die Förderung der ambulanten fachärztlichen Weiterbildung deutlich ausbauen. Neben den 7500 Stellen in der Allgemeinmedizin sollen bundesweit bis zu 1000 Stellen in der "allgemein-fachärztlichen Versorgung" gefördert werden.

Welche Gruppen aus dem Bereich der "allgemein-fachärztlichen Versorgung" zu den "grundversorgenden Fachärzten" gehören, das sollen die Vertragspartner selbst definieren.

"Dazu sollen sich die Vertragspartner auf Grundversorger aus der Gruppe der allgemeinfachärztlichen Versorgung nach Paragraf 12 der Bedarfsplanungsrichtlinie einigen", heißt es in der Begründung.

Der Gesetzgeber hat dabei vor allem die Weiterbildung in der Pädiatrie, Gynäkologie sowie Augenärzte im Blick.

Für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin ist die Förderung von universitär angebundenen Kompetenzzentren vorgesehen. Außerdem soll geprüft werden, ob und wie eine bundesweite Stiftung für die Förderung der ambulanten Weiterbildung gestaltet werden kann.

Zweitmeinung

Wer künftig eine Zweitmeinung verfassen darf, soll der Gemeinsame Bundesausschuss festlegen. Dabei sollen nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem die Ärzte zum Zug kommen, die langjährige fachärztliche Tätigkeiten oder spezielle Zusatzqualifikationen im entsprechenden Fachgebiet vorweisen können.

Auch Ärzte, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, sollen eine Zweitmeinung erstellen können. "Diese nehmen dann zu diesem Zweck ausnahmsweise an der vertragsärztlichen Versorgung teil." Auch Kliniken können Zweitmeinungen erbringen.

In welcher Höhe die Anfertigung einer Zweitmeinung abgerechnet werden kann, dazu soll der Bewertungsausschuss gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine neue EBM-Ziffer festlegen.

Innovationsfonds

An den Geldtopf mit bis zu 300 Millionen Euro pro Jahr sollen alle diejenigen rankommen, deren Vorhaben den Förderkriterien entspricht.

Der Kreis der Antragsteller wird, anders als noch im Gesetzentwurf, nicht begrenzt. Zudem wird mit dem Änderungsantrag der vorgesehene Expertenbeirat gestärkt.

Weicht der Innovationsausschuss vom Votum des Expertenbeirats ab, muss das schriftlich begründet werden. Dem Ausschuss gehören Kassen, (Zahn-)Ärzte, DKG sowie Regierungsvertreter an.

Unklar ist nach wie vor, ob der Fonds über 2019 hinaus Bestand hat. Gesundheitspolitiker drängen darauf, das Bundesfinanzministerium bremst.

Parität in der KBV

Die Parität bei der Abstimmung nach haus- und fachärztlichen Abstimmungen soll nur auf die Vertreterversammlung der KBV begrenzt werden - nicht, wie ursprünglich geplant auch für die Vertreterversammlungen der KVen.

Bußgeld für Vertragsärzte

Bei Verstößen der vertragsärztlichen Pflichten wird die Obergrenze für das Bußgeld deutlich erhöht. Statt 10.000 Euro können nun bis zu 50.000 Euro von den KVen als Bußgeld verhängt werden.

Hintergrund ist, dass seit Einführung dieser Grenzen im Jahr 1983 nicht mehr "an die Entwicklung der Einkommensverhältnisse" angepasst worden ist.

Langfristiger Heilmittelbedarf

Der Aufgabenkatalog des GBA wird in einem Änderungsantrag präzisiert. Dieser soll ein "praktikables, weniger komplexes Verfahren für die Heilmittelversorgung von Versicherten mit langfristigem Heilmittelbedarf" festlegen. Genau soll insbesondere festgelegt werden, wann eine Kasse ein Genehmigungsverfahren der Verordnung vornehmen darf.

Bisher gibt es eine Wahlmöglichkeit der Kasse, was zu einer uneinheitlichen Handhabung bei der Genehmigung von langfristigem Heilmittelbedarf geführt hat.

Mehr Macht für GBA-Führung

Angesichts der Fülle von Arbeitsaufträgen mit Fristsetzung an die Selbstverwaltung wollen die Koalitionsfraktionen die Kompetenz der unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschuss stärken.

Die bisherige Befristung der Amtsperioden des Vorsitzenden Josef Hecken und seiner Stellvertreter Regina Klakow-Franck und Harald Deisler auf sechs Jahre soll mit dem „Ziel einer effektiven und kontinuierlichen Aufgabenwahrnehmung (...) und zur Vermeidung von Friktionsverlusten“ entfallen. Damit werde personelle Kontinuität geschaffen.

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