Eine Schwester sorgt für den Überblick

Dr. Christiane Klünder, Hausärztin in Neuhaus, einem Örtchen nahe der Elbmündung, arbeitet seit vielen Jahren in einem IV-Projekt für psychisch Kranke. Irgendwann hat sie sich gefragt: "Warum reden wir nie von Patienten, die chronisch krank sind, alleine leben, Angst haben oder deprimiert sind?"

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

CUXHAVEN. Schon im Januar sind Klünder und die AOK Niedersachsen der Frage gefolgt und haben einen Vertrag zur integrierten Versorgung von Patienten geschlossen, die "nicht mehr gesund, aber auch noch nicht pflegebedürftig sind", wie Klünder sagt. Sie hat nun als koordinierende Hausärztin mit ihrer Praxis in Neuhaus auf IV-Basis eine Betreuungsschwester angestellt: Friedegund Ohlendorf.

In Kooperation mit 15 Hausärzten in acht Praxen besucht Ohlendorf derzeit 80 Patienten. Ziel ist es, 150 Patienten im Rahmen des IV-Vertrages zu betreuen. Das Projekt wird für anderthalb Jahre von der AOK finanziert und von der Universität Greifswald evaluiert. Bedingungen für die Einschreibung sind, dass der Patient älter als 65 ist, allein lebt oder mit einem Partner, nur noch teilweise mobil und chronisch krank ist. Die Betreuungsschwester beurteilt bei ihren Besuchen seinen körperlichen und psychischen Zustand, klärt ihn auf über Arzneieinnahme, Ernährung und Wundpflege. Auch die Angehörigen der Patienten profitieren von der Beratung der Schwester. Außerdem koordiniert die Betreuungsschwester falls nötig den Einsatz zum Beispiel von Ergo- und Physiotherapeuten sowie Pflegediensten. Und sie kümmert sich gegebenenfalls um die reibungslose Überleitung zwischen Klinik und ambulanter Behandlung. Der IV-Vertrag umfasst nach Angaben der AOK sämtliche Leistungen der Betreuungsschwester sowie Sachkosten und die Evaluation.

"Mit diesem Vertrag können wir verhindern, dass die Patienten in die Pflegebedürftigkeit hinein gedrückt werden", sagt Klünder. Die Pflegedienste brauchen aber keine Sorge zu haben, dass nun die Betreuungsschwester die Pflege übernimmt, betont die Ärztin: "Zwar betreuen wir auch Patienten mit Pflegestufe eins, aber nicht solche, die von Pflegediensten versorgt werden. Wir sind also keine Konkurrenz." Anders als beim "Agnes"-Projekt in Mecklenburg Vorpommern verzichten die Niedersachsen auf Laptops beim Hausbesuch. "Erstens, weil wir das Patientengespräch nicht technisieren wollen", erklärt Klünder, "und zweitens ist die Datenübertragung bei uns auf dem Land oft schwierig".

Die Betreuungsschwester, die in einem Radius von rund 35 Kilometern unterwegs ist, notiert die Ergebnisse ihrer Visiten und braucht pro Arzt und Woche rund eine Viertelstunde, um die Besuche durchzusprechen und mit dem behandelnden Hausarzt die weiteren Schritte zu beraten. "Es ist für uns also keine große Zusatzbelastung", sagt die Ärztin. Allerdings auch keine Entlastung. Denn die Schwester besucht Patienten, "die wir schon immer besuchen wollten, es aber nie geschafft haben", so Klünder.

Schon seit Januar läuft das Projekt. Und die ersten kleinen Erfolge lassen hoffen: Ohne Nervosität oder Stress den "Uhrentest" machen, die mehr als zehn Jahre alte Brille durch endlich eine neue ersetzen oder den Blutdruck allein dadurch senken, "dass die Patienten sicher sein können, dass die Schwester kommt".

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