Für "Reha vor Pflege" fehlen die Anreize

Der Grundsatz "Reha vor Pflege" steht im Gesetz. Realität geworden aber ist er bislang nicht. Experten sehen fehlende Anreize als ursächlich.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Spielerisch zu alter Stärke: Reha könnte bei vielen Menschen Pflegebedürftigkeit vermeiden.

Spielerisch zu alter Stärke: Reha könnte bei vielen Menschen Pflegebedürftigkeit vermeiden.

© Foto: medica Medizintechnik

BERLIN. Das Problem ist seit langem bekannt - und ungelöst: Vielen Menschen in Deutschland könnte Pflegebedürftigkeit erspart bleiben, würden sie frühzeitig in den Genuss von Rehabilitation kommen. Was theoretisch einleuchtet, passiert in der Praxis kaum oder gar nicht. Der Grund: Den Krankenkassen fehlt schlicht der Anreiz, Pflegebedürftigkeit durch gezielte, möglichst frühzeitig einsetzende Reha zu vermeiden. Denn während die Pflegekassen untereinander mit einem soliden Finanzausgleich ausgestattet sind, stehen die gesetzlichen Krankenkassen in einem harten Wettbewerb - und zwar um den Zusatzbeitrag. Sie würden deshalb unwirtschaftlich handeln, würden sie mehr in Leistungen zur Vermeidung von Pflege investieren. Nutznießer dieser Investitionen wäre ja am Ende die Pflege-, nicht die Krankenkasse.

Der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen hat sich deshalb dafür ausgesprochen, den Finanzausgleich zwischen Kranken- und Pflegeversicherung neu zu organisieren. "Wenn für die Krankenkassen die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit attraktiv gemacht würde, könnte die Lebensqualität vieler Menschen verbessert und wertvolle Ressourcen sinnvoller verwendet werden", sagte Wasem anlässlich der Vorstellung einer aktuellen Studie im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) am Donnerstag in Berlin. Der Verband vertritt die Interessen der 1000 Krankenhäuser und Reha-Kliniken in privater Trägerschaft.

In seinem Gutachten hat Wasem Konzepte erarbeitet, mit denen der Finanzrahmen so geändert werden soll, "dass Krankenkassen einen finanziellen Profit davon haben, wenn durch Maßnahmen, die sie machen, Pflegebedürftigkeit verhindert wird und damit Kosten in der Pflegeversicherung gespart werden". Das würde der Reha endlich Vortritt vor Pflege verschaffen, da nur noch die Krankenkasse belohnt werde, die "Reha ernst nimmt".

Dass er Vorschläge für ein Anreizsystem zur Stärkung des Grundsatzes "Reha vor Pflege" jetzt, gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl, unterbreite, sei kein Zufall. "Wir sollten versuchen, das in die Koalitionsvereinbarung reinzukriegen", sagte Wasem. Natürlich stehe "Reha vor Pflege" schon lange im Gesetz drin. Das allein sei aber keine Garantie, dass in der Praxis auch so gehandelt werde, so Wasem. "Wenn Kassen von den vielen Dingen, die sie tun müssen, wählen können zwischen denen, die ihnen nützen und denen, die ihnen nicht nützen, dann lassen sie die Dinge sein, die ihnen nicht nützen."

Lesen Sie dazu auch: Schmidt wirbt für mehr Anerkennung der Pflegeberufe

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