Der Gesundheitsfonds steckt tief in der Kreide

Der gesetzlichen Krankenversicherung fehlen im kommenden Jahr über sieben Milliarden Euro. Auf viele Beitragszahler könnten spürbare Zusatzbeiträge zukommen.

Veröffentlicht:
Vielen Versicherten drohen ab 2010 Zusatzbeiträge, weil den Kassen die Einnahmen wegbrechen.

Vielen Versicherten drohen ab 2010 Zusatzbeiträge, weil den Kassen die Einnahmen wegbrechen.

© Foto: dpa

Von Bülent Erdogan

BERLIN. Die gesetzliche Krankenversicherung wird für die Bundesbürger teurer: Auf 7,45 Milliarden Euro bezifferte der GKV-Schätzerkreis von Bund und Krankenkassen in seiner Sitzung am Dienstag das für 2010 zu erwartende Defizit des Gesundheitsfonds. Viele Versicherte müssen im nächsten Jahr damit höchstwahrscheinlich zum normalen GKV-Beitrag von 14,9 Prozent noch Zusatzbeiträge zahlen.

Ausgaben der GKV steigen auf über 174 Milliarden Euro

Bei Ausgaben von rund 174,2 Milliarden Euro werden die Einnahmen des Fonds laut Prognose inklusive eines Steuerzuschusses von 11,8 Milliarden Euro bei etwa 166,7 Milliarden Euro liegen. Sollte die neue schwarz-gelbe Koalition nicht dazu bereit sein, diese Deckungslücke mit weiteren Steuermitteln zu schließen, könnte sie entweder außerplanmäßig den GKV-Beitragssatz auf circa 15,7 Prozent anheben, die Kassen flächendeckend Zusatzbeiträge erheben lassen, Leistungen aus der GKV ausschließen oder Zuzahlungen erhöhen. Allerdings dürfte eine Anhebung des GKV-Beitragssatzes aus Konjunkturgründen ebenso unwahrscheinlich sein wie ein erneuter Griff in den mehr als leeren Staatssäckel. Schließlich wollen Union und FDP Steuern senken.

Rein rechnerisch liegt der GKV-weit notwendige monatliche Zusatzbeitrag für 2010 für jedes der rund 70 Millionen GKV-Mitglieder bei rund elf Euro. Momentan dürfen Kassen einen Zusatzbeitrag von bis zu einem Prozent des bruttopflichtigen Einkommens erheben. 2010 sind das bis zu 37,50 Euro im Monat. Etliche Kassen befürchten aber, aufgrund vieler gering verdienender Mitglieder damit dennoch nicht auszukommen. Sie fordern daher die Aufhebung der Ein-Prozent-Grenze. Allerdings dürfte das Interesse von Schwarz-Gelb, diese Begrenzung noch vor den wichtigen Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 aufzuheben, nur gering sein, obwohl dies der Einstieg in die von der Union 2003 geforderte Kopfpauschale wäre.

Insgesamt dürften die aktuellen Zahlen der Schätzer vor allem der FDP gelegen kommen, die den Gesundheitsfonds am liebsten sofort abschaffen will. In den vergangenen Monaten waren die Liberalen nicht müde geworden, die Geldsammelstelle als "Pleitefonds" zu geißeln. Gestern kamen Vertreter von Union und FDP zu ersten Verhandlungen zum Thema Gesundheit zusammen.

KBV: Honorarplus für 2010 war ein gutes Ergebnis

Im Vorfeld wies die CDU-Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz die Forderungen der Liberalen nach Abschaffung des Fonds allerdings erneut scharf zurück. Zuvor hatte bereits Kanzlerin Angela Merkel mehrmals deutlich gemacht, am Fonds festhalten zu wollen.

Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sieht man die Schätzerzahlen mit gemischten Gefühlen: "Das Defizit des Gesundheitsfonds dürfte die im kommenden Jahr anstehenden Verhandlungen über die Honorare für 2011 natürlich nicht leichter machen", sagte deren Sprecher Roland Stahl. "Dass wir für die Ärzte für 2010 ein Honorarplus von 3,7 Prozent oder 1,2 Milliarden Euro erzielt haben, muss man daher auch vor diesem Hintergrund bewerten."

Die Bundesärztekammer wollte sich auf Anfrage nicht äußern. In den vergangenen Monaten hatte sie die Parteien zu einer offenen Debatte über eine Priorisierung von Leistungen in der GKV aufgefordert, um das System finanzierbar zu halten.

Lesen Sie dazu auch: Heftiger Streit über Defizit des Gesundheitsfonds Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kassensturz im Kassensystem: Sprungbrett für den Systemwechsel ?

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Der papierene Organspendeausweis soll bald der Vergangenheit angehören. Denn noch im März geht das Online-Organspende-Register an den Start.

© Alexander Raths / Stock.adobe.com

Online-Organspende-Register startet

Wie Kollegen die Organspende-Beratung in den Praxisalltag integrieren