Schwarz-gelbe Pläne für kapitalgedeckte Pflege

Die schwarz-gelbe Koalition plant eine Kapitaldeckung auch für die soziale Pflegeversicherung: Erfreut zeigt sich über diese Entwicklung vor allem die private Krankenversicherungsbranche.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Unter liberalem Einfluss bekommt die PKV wieder Rückenwind: die neuen Koalitionäre Seehofer, Westerwelle und Merkel.

Unter liberalem Einfluss bekommt die PKV wieder Rückenwind: die neuen Koalitionäre Seehofer, Westerwelle und Merkel.

© Foto: dpa

Die Pläne von Union und FDP, eine obligatorische Zusatzversicherung für die Pflegeversicherung einzuführen, stoßen bei den privaten Krankenversicherern (PKV) auf große Resonanz. Die Branche hofft jetzt, dass die schwarz-gelbe Koalition den Einstieg in die Kapitaldeckung auch tatsächlich wagt. Die gesetzlichen Kassen sind dagegen skeptisch.

"Was bis jetzt bekannt geworden ist, geht aus unserer Sicht in die richtige Richtung", sagt der Direktor des PKV-Verbands Dr. Volker Leienbach. "Das entspräche dem, was wir schon lange fordern." Zunächst müsse man aber die konkreten Regelungen des Koalitionsvertrages abwarten, sagt er.

Die PKV setzt sich seit langem dafür ein, einen größeren Marktanteil für ihr kapitalgedecktes System zu erhalten. In den vergangenen Legislaturperioden geschah aber das Gegenteil: Die Politik erschwerte den Versicherten mit verschiedenen Regelungen wie der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze und der dreijährigen Wartefrist für den Wechsel von der GKV in die PKV den Zugang zum Privatsystem.

Mit der schwarz-gelben Regierung wird sich der Wind wieder drehen, hofft die Branche. Die Einführung einer kapitalgedeckten Pflege-Zusatzversicherung könnte aus ihrer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung sein. Besonders geschäftsfördernd für die Branche sind die Pläne, weil die künftigen Pflegepolicen anders als die Riester-Ergänzungen zur gesetzlichen Rentenversicherung für jeden Erwerbstätigen und Rentner verpflichtend sein sollen.

"Sollte es zu einer obligatorischen Zusatzversicherung kommen, muss klar geregelt sein, dass sie ausschließlich von privaten Versicherungsunternehmen angeboten werden darf", fordert Leienbach. Natürlich könnten sich in diesem Bereich neben den etablierten Versicherern neue Unternehmen gründen. "Sie müssten aber privatwirtschaftlich organisiert sein."

Er wendet sich damit gegen Bestrebungen der gesetzlichen Kassen, in den Markt der Zusatzversicherungen vorzudringen. So bietet die AOK Rheinland/Hamburg in der Krankenversicherung schon Policen an, die lange Zeit ausschließlich in der Hand der PKV lagen. Über die Legitimität ihres Vorgehens streiten sich die AOK Rheinland/Hamburg und die PKV seit zwei Jahren vor Gericht. "Wir haben immer gesagt, dass Zusatzversicherungen in der Sozialversicherung nichts zu suchen haben", sagt Leienbach.

Es sei gut, dass die neue Regierung offensichtlich einsehe, dass das Pflegerisiko allein über das Umlagesystem nicht zu finanzieren sei, sagt der Vorstand des PKV-Marktführers Debeka, Roland Weber.

"Wichtig ist, dass der Kapitalstock für die Pflege möglichst staatsfern angelegt wird", so Weber. Die PKV-Branche werde keine Schwierigkeiten haben, die entsprechenden Angebote zu kalkulieren und auf den Markt zu bringen. "Wir müssen aber zunächst die konkreten Details kennen."

Auch die Allianz lobt den Vorstoß der Koalitionäre. "Schwarz-Gelb ist auf dem richtigen Weg", sagt ein Sprecher. "Die Ergänzung der umlagefinanzierten Versicherungsleistungen bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung ist längst überfällig." Nur so lasse sich eine Überbelastung folgender Generationen Erwerbstätiger verhindern, so der Sprecher.

Der Vorstandsvorsitzende der Barmer Dr. Johannes Vöcking verfolgt die Meldungen aus Berlin dagegen kritisch. Mit ihren Plänen habe die Koalition mehr im Blick als die demografische Vorsorge, die bereits nach geltendem Recht möglich sei, sagt er. "Allmählich wird die Katze aus dem Sack gelassen: Der Einstieg in die Privatisierung der sozialen Pflegeversicherung erfolgt über die Finanzen."

Die Riesterrente sei entwickelt worden, weil das Rentenniveau abgesenkt wurde, so Vöcking. "Wenn jetzt eine verpflichtende ,Riesterpflege‘ kommt, spekuliert die konservativ-liberale Regierung darauf, dass die gesetzliche Pflegeversicherung allenfalls ihr Niveau hält oder gar senkt." Das sei weder sachorientiert noch sozial gerecht, sondern gefährde den sozialen Frieden, kritisiert er.

Auch der Chef der AOK Rheinland/Hamburg Wilfried Jacobs sieht die Bundesregierung auf dem Weg in ein neues Kranken- und Pflegeversicherungssystem. "Mein Eindruck ist, dass die Gesundheitspolitik der Koalition darin besteht, möglichst viel über Zusatzversicherungen und Eigenbeiträge der Versicherten abzudecken."

Keinen Sinn macht es seiner Meinung nach, eine obligatorische Pflegezusatzpolice ausschließlich in der Privatwirtschaft anzusiedeln. Das entspräche nicht den Wünschen des Großteils der Bevölkerung, glaubt Jacobs. "Über diesen Weg die private Krankenversicherung aufzumöbeln, ist völliger Blödsinn."

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