Koalition will Gesundheitssystem behutsam umbauen

"Mit Mut und kleinen Schritten" will die Regierung die Gesundheitsreform angehen. Angesichts der angespannten Haushaltslage der Kassen bezweifeln Experten aber, dass noch viel Zeit bleibt.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:

BERLIN. Die Bundesregierung will die Reformen im Gesundheitswesen behutsam angehen. Der Umbau werde "in kleinen Schritten und mit viel Mut" erfolgen, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz (CDU), auf einem "Kassengipfel" am Mittwoch in Berlin.

"Die Entwicklung von einkommensunabhängigen Beiträgen mit einem automatischen Sozialausgleich ist unser langfristiges Ziel", betonte Widmann-Mauz. Am Ende der Reform werde "eine Definition und Abgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung stehen". Bei den Herausforderungen in der flächendeckenden ärztlichen Versorgung, wie beispielsweise der Bedarfsplanung oder der Nachwuchsgewinnung, gehe es nicht ohne die Beteiligung der Bundesländer. Am Tisch der Reformkommission für die geplante GKV-Finanzreform sollen die Ländervertreter allerdings nicht sitzen.

Dies stieß bei dem Kölner Gesundheitsökonom und früheren Kassenchef, Professor Eckard Fiedler, auf Kritik. "Wir erleben in der Politik derzeit absoluten Stillstand und sind so schlau wie vor der Wahl", sagte Fiedler. Dabei dränge die Zeit: Fiedler geht im kommenden Jahr von einem Defizit von rund 11,4 Milliarden Euro in der GKV aus. "Wenn Politik nicht schnell reagiert, dann kommt die Insolvenz vieler Kassen."

Ähnlich sieht es auch der Essener Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem. Die aufgeregte Diskussion über die Zusatzbeiträge sei falsch, sagte Wasem. Es sei immer klar gewesen, dass eine Beitragslücke bei den gesetzlichen Krankenkassen entstehen werde. "Es ist doch realitätsfern zu glauben, Kassen machen es sich mit den Zusatzbeiträgen leicht", so Wasem.

Ökonom Fiedler wiederum wies darauf hin, dass die Einführung einer Kopfpauschale den Kassen aus ihrer Finanzierungsmisere nicht heraushelfe. Bei einer Kopfpauschale gebe es auch den Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zwischen den Kassen nicht mehr. Der aber bringe einigen von ihnen mehr Geld ein.

Der Verweis auf eine erfolgreiche Umsetzung der Kopfpauschale in der Schweiz hilft nach Ansicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach nicht weiter. "In der Schweiz war die Ausgangslage eine andere: Der Minister war erfahren, hatte seine Truppen hinter sich und die Haushaltslage war gut. Das alles trifft auf Herrn Rösler nicht zu", sagte der SPD-Politiker.

Überhaupt habe das deutsche Gesundheitswesen noch ganz andere Probleme zu bewältigen. Dazu gehöre auch die Tatsache, dass es zu wenig Wettbewerb um die beste Versorgung gebe. Die Regierung wolle das ändern. "Aber dort, wo es bereits Wettbewerb gibt, wird geprüft und wieder zurückgenommen." Außerdem seien dringend Rezepte gegen hausärztliche Unterversorgung auf dem Land und in Vorstäden gefragt.

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