Schwarz-Gelb holt Koalitionsverhandlung nach

Hiobsbotschaft gleich zum Auftakt der Gesundheitskommission: Den Krankenkassen könnten in 2011 bis zu 15 Milliarden Euro fehlen. Die Koalition sucht nach Auswegen.

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Wer führt wen bei der Suche nach einem GKV-Finanzkonzept? Die acht Minister (l.) oder die Spitze des BMG (r.)? © dpa

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BERLIN (hom/sun). Die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen könnte sich im nächsten Jahr weitaus dramatischer darstellen als bislang angenommen. Sollte es in 2011 zu einem ungünstigen Konjunkturverlauf kommen, könnte die Finanzlücke bei den Kassen auf bis zu 15 Milliarden Euro wachsen. Dies geht aus einem Papier des für den Gesundheitsfonds zuständigen Bundesversicherungsamtes (BVA) hervor, aus dem mehrere Zeitungen berichten.

Bislang hatten Experten das Finanzloch der Kassen in 2011 auf rund zwölf Milliarden Euro geschätzt. Bei optimistischer Konjunkturannahme erwartet das BVA eine Lücke von etwa 6,4 Milliarden Euro. In diesem Jahr fehlen den Kassen bereits acht Milliarden Euro. Knapp die Hälfte davon wird über einen Steuerzuschuss des Bundes abgedeckt.

Unterdessen kam am späten Mittwochnachmittag unter Leitung von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die Regierungskommission zur Gesundheitsreform zu ihrer ersten Sitzung in Berlin zusammen. Dem Gremium gehören neben der Spitze des Gesundheitsministeriums (BMG) sieben weitere Bundesminister oder deren Vertreter an. Fachpolitiker von Union und FDP wohnen der Runde als Gäste bei. Die Beratungen fanden in der Landesvertretung Niedersachsen statt - dem Ort, an dem auch die Arbeitsgruppe Gesundheit während der Koalitionsgespräche im Oktober 2009 tagte.

Damals konnten sich beide Seiten nicht auf einen gemeinsamen Kurs in der Gesundheitspolitik verständigen. Als Kompromiss wurde die Einrichtung der Regierungskommission in den Koalitionsvertrag vereinbart.

Die Koalition habe sich vorgenommen, "den Einstieg in ein System mit prämienfinanzierten Anteil und Sozialausgleich zu schaffen", sagte Rösler zum Abschluss der ersten Beratungsrunde. Dazu werde die Kommission Vorschläge erarbeiten. Das nächste Mal trifft sich die Runde am 21. April. Über Zahlen oder Modelle sei in der Runde noch nicht gesprochen worden. Medien hatten zuletzt berichtet, Rösler plane bereits 2011 eine kleine Pauschale in Höhe von monatlich 29 Euro zusätzlich zum Kassenbeitrag. Rösler sagte dazu lediglich, dies sei nicht "sein Modell".

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, sagte der "Ärzte Zeitung", die drei Koalitionspartner gingen mit "großem Optimismus" in die Reformberatungen. "Allen ist klar, dass wir angesichts des Defizits in der GKV eine breitere Einnahmebasis brauchen. Und genau daran arbeiten wir." Union und FDP seien sich in diesem Punkt "jenseits des öffentlichen Schlagabtausches näher als es scheint", so Spahn.

Oppositionspolitiker nannten die Runde nutzlos. Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann sprach von einer "Verschleppungskommission". Ein "schwerer Geburtsfehler" sei, dass die Länder dort nicht vertreten seien. "Ohne Länder aber gibt es keine Gesundheitsreform." Grünen-Gesundheitsexpertin Biggi Bender sagte, die Kommission tage nach dem Motto: "Gut, dass wir drüber geredet haben." Bis zur NRW-Wahl werde "gar nichts rauskommen." Zustimmung für seine Pläne der schrittweisen Einführung einer Prämie erhielt Rösler vom Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Professor Norbert Klusen. "Philipp Rösler hat Recht, wenn er sagt: Der Sozialausgleich kann genauso gut über das Steuersystem erfolgen", sagte Klusen dem "Hamburger Abendblatt".

BMG-Staatssekretär Stefan Kapferer (FDP) betonte, weil dem Gesundheitsfonds "ganz klar das Geld" ausgehe, bestehe Handlungsbedarf auf der Einnahmen- und auf der Ausgabenseite. Das Gesundheitsministerium werde spätestens nach Ostern ein Konzept für einen effektiveren Arzneimittelmarkt vorlegen. Dabei würden auch die Pharmaunternehmen in die Pflicht genommen. "Es kann nicht sein, dass die Pharmaunternehmen den Preis für innovative Medikamente diktieren", sagte Kapferer auf der Euroforum-Konferenz "Gesundheitspolitik 2010". Wichtig sei aber auch ein fairer Wettbewerb.

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