Kassen-Navigator

Note 3 für die TK, Fünfer für Barmer

Feuer frei für die Ärzte: Der Kassen-Navigator der KBV ist online - doch der Start ist schleppend. Erst für eine Handvoll Kassen liegen mehr als zehn Bewertungen vor. Die Kassen lässt der Navigator kalt.

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Krankenkassen von A - Z: Der Kassen-Navigator der KBV bietet den Ärzte die Möglichkeit, rund 145 Krankenkassen zu bewerten.

Krankenkassen von A - Z: Der Kassen-Navigator der KBV bietet den Ärzte die Möglichkeit, rund 145 Krankenkassen zu bewerten.

© Thorsten Schaff

BERLIN (af/sun). Die Krankenkassen haben verhalten auf den Start des Kassen-Navigators der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Freitag reagiert.

Die Kassen stellten sich gerne öffentlichen Bewertungen, sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. Er verwies darauf, dass die Kassen aber in erster Linie für die Versicherten da wären, nicht für die vergleichsweise kleine Gruppe der Ärzte.

Im Kassen-Navigator können ausschließlich Ärzte Bewertungen zum Verhalten der Kassen im Praxisalltag abgeben. Einsehbar sind diese Urteile aber für alle Internet-Nutzer.

Die Spitze des AOK-Bundesverbandes übte Kritik daran, dass das Bewertungs-Portal ohne Mitwirkung der Kassen entstanden sei.

"Wir haben von Anfang an großen Wert auf Transparenz gelegt und Vertreter der Ärzteschaft bei der Entwicklung unseres Portals, des Arzt-Navigators, mit einbezogen", sagte der Chef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, der "Ärzte Zeitung".

145 Kassen können bewertet werden

Die KBV hat das Portal am Freitag freigeschaltet. Nur langsam kommt Leben in den Kassen-Navigator: Bis Montagnachmittag (Stand 15:55 Uhr) gab es 71 im Netz sichtbare Bewertungen.

Erst wenn zehn Bewertungen für eine Kasse vorliegen, taucht sie im Kassen-Navigator auf.

Bislang schafften dies die AOK-Baden-Württemberg, die AOK Bayern, die Barmer GEK, die DAK Gesundheit und die Techniker Krankenkasse. Insgesamt liegen Bewertungen für 34 von 145 möglichen Kassen vor.

Ein Ziel sei ein Ranking der zehn best- und schlechtestbewerteten Kassen, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler zum Start des Bewertungsportals.

Versicherte können darüber zwar nicht mitbestimmen. Sie sollen aber sehen können, ob und wie eigentlich ihre Kasse dazu beiträgt, eine gute Versorgung zu unterstützen, sagte Köhler.

Benoten können die Ärzte das Verhalten von Kassen bei der Therapiefreiheit, bei Regressen, bei der Bürokratie, bei Selektivverträgen und beim Service.

Am Montag erreichte die Techniker Krankenkasse mit 2,9 die höchste Note der sichtbaren Kassen, die Barmer GEK kam auf 4,7, und die AOK Bayern auf 4,9. Die Skala reicht von eins bis sechs, wie in der Schule.

Graalmann sieht Kommentarfunktion kritisch

Auch die Kommentarfunktion wird genutzt. Diskutiert werden vor allem die Bürokratie und die Therapiefreiheit. Dabei verteilen die Teilnehmer durchaus Lob, auch wenn die Kritik überwiegt.

Ein Teilnehmer lobt eine Kasse für deren Bereitschaft, viele Fragen papierlos am Telefon zu klären. Ein Kinderarzt moniert, die Bürokratie zur Abrechnung von Therapien schwerkranker Kinder verschlinge genauso viel Zeit wie die Behandlung selbst.

Eine "regelrechte Leitlinie zur Verweigerung von Leistungen" zu unterhalten, unterstellt ein anonymer Augenheilkundler einer Kasse. Ein Urologe behauptet, eine der Kassen alleine verursache 50 Prozent des Bürokratieaufwands in seiner Praxis.

Kritisch sieht der AOK-Vorstandsvorsitzende Jürgen Graalmann die Kommentarfunktion. "Es wird nicht transparent gemacht, wer die Kommentare redaktionell prüft und nach welchen Kriterien Kommentare gegebenenfalls zensiert werden."

Der vdek wollte den Start des Kassen-Navigators nicht kommentieren.

Schmähkritik sei ausgeschlossen, betonte eine Sprecherin der KBV. Kommentare würden erst nach einer dementsprechenden Prüfung freigegeben. Die Beiträge sollten "sachlich, fair und verständlich" sein.

Nächste Verhandlungsrunde zwischen KBV und Kassen

Der Start des Kassen-Navigators fällt in die Zeit der Honorarverhandlungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband. Am 4. Oktober kommt erneut der Bewertungsausschuss zusammen.

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hat im Vorfeld bereits einen Forderungskatalog aufgestellt. Vor allem die psychotherapeutischen Leistungen, die aus dem Topf der Fachärzte bezahlt werden, sind dem KBV-Chef ein Dorn im Auge.

Künftig sollen seiner Meinung nach die Kassen das Risiko für die Mengenausweitung tragen. Schließlich seien auch sie diejenigen, die fast 100 Prozent der Leistung auf Antrag genehmigten.

Der GKV-Spitzenverband hatte zuvor ein Angebot vorgelegt, die Ausdeckelung für psychotherapeutische Leistung zunächst auf zwei Jahre zu befristen. Für Köhler ist dies "absolut inakzeptabel". Er knüpfte den Ausgang der Verhandlungen an diesen Aspekt: Eine unbefristete Regelung gehöre für die Ärzte zwingend zu einem wie auch immer gearteten Kompromiss.

Ob es bis Donnerstag in dieser Frage noch Verhandlungsspielraum gebe, ließe sich derzeit nicht sagen. Neben den genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen gebe es auch bei den probatorischen Sitzungen einen Zuwachs - seit 2008 jährlich um 1,3 Prozent. Das entspreche insgesamt etwa 300 Millionen Euro, so Köhler.

Mit der Reform der Bedarfsplanung könnten etwa 1.200 zusätzliche Sitze für Psychotherapeuten entstehen, schätzt KBV-Chef Köhler.

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