Daniel Bahr im Interview

"Praxisgebühr - ein Ärgernis in den Praxen"

Gesundheitsminister Daniel Bahr glaubt nicht mehr an die Praxisgebühr. Im Interview erklärt er, warum es besser ist sie abzuschaffen als die GKV-Beiträge zu senken, wieso es bald eine Einigung geben wird und warum der Honorar-Streit kein Glanzstück war.

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Minister mit Lächeln: Für Daniel Bahr sind Beitragssatzsenkungen keine Alternative.

Minister mit Lächeln: Für Daniel Bahr sind Beitragssatzsenkungen keine Alternative.

© David Vogt

Ärzte Zeitung: Herr Minister Bahr, die Kassen schwimmen im Geld. Trotz eher verhaltener Konjunkturprognosen für 2013 werden die Überschüsse und damit die Rücklagen steigen. Was soll mit den Überschüssen passieren?

Daniel Bahr: Ich bin dafür, dass wir auf die Praxisgebühr verzichten. Sie hat ihren Zweck nicht erfüllt und sie ist ein Ärgernis in den Arztpraxen und für Patienten. Das ist finanzierbar und trotzdem bleibt noch ein Polster erhalten.

Ärzte Zeitung: Das, was wir in diesen Tagen erleben, erinnert ein bisschen an absurdes Theater. Sie fordern die Abschaffung der Praxisgebühr, die Kanzlerin stellt die Gebühr infrage, doch die Unionsfraktion ist strikt gegen eine Abschaffung - außer Herr Söder vielleicht. Wann gibt's endlich eine Entscheidung?

Daniel Bahr (FDP)

Aktuelle Position: Minister im Bundesministerium für Gesundheit, Mitglied der FDP-Fraktion

Werdegang/Ausbildung: Ausbildung zum Bankkaufmann; Studium der Volkswirtschaftslehre

Karriere: 2009 bis 2011 Staatssekretär im BMG

Privates: Der 35-Jährige läuft seit 2007 Marathon - zuletzt absolvierte er die Strecke 2012 in Berlin.

Bahr: Bald, bislang ist es leider noch nicht gelungen, die Union zu überzeugen. Aber CDU und CSU haben erkannt, dass die Überschüsse ein Ausmaß angenommen haben, sodass wir den Versicherten etwas zurückgeben können. Die Praxisgebühr ist da der überlegene Vorschlag: Eine kleine Beitragssatzsenkung wäre für Versicherte kaum spürbar.

Ärzte Zeitung: Kritiker warnen davor, die Praxisgebühr abzuschaffen. Damit werde ein falsches Signal in puncto Kostenbeteiligungsmodelle gesetzt. Stimmt das?

Bahr: Wie kein anderer werbe ich für Transparenz und die Kostenerstattung. Ich will auch nicht Eigenbeteiligungen infrage stellen. Zuzahlungen sind sinnvoll.

Bei Arzneimitteln und im Krankenhaus haben wir solche Zuzahlungen, die Kostentransparenz schaffen. Die Praxisgebühr ist allerdings eine zusätzliche Belastung ohne sinnvollen Zweck.

Ärzte Zeitung: Was halten Sie von einer Senkung des Beitragssatzes?

Bahr: Dass der Beitragssatz so hoch ist, war ein Vorschlag der Union und nicht der FDP. Jetzt ist der Beitragssatz aber so festgelegt. Wollte man ihn senken, müsste dafür das Gesetz geändert werden. Wenn ich auf die Rentendebatte blicke, ist fraglich, ob das noch zum 1. Januar möglich ist.

Ärzte Zeitung: Wir kennen das Beitragssatz-Regulativ in der Rentenversicherung. Sollte man es nicht auch in der GKV einführen?

Bahr: Wir haben die Beitragsautonomie über die Zusatzbeiträge wiederhergestellt. Die Finanzierung des Gesundheitswesens soll unabhängig von der Arbeitsmarktsituation bleiben. Derzeit haben wir eine gute Arbeitsmarktlage, aber es ist nicht zu erwarten, dass das für immer so bleibt.

Ärzte Zeitung: Sie haben immer wieder gefordert, dass Kassen ihre Überschüsse an die Versicherten auszahlen sollen. Einige erstatten jetzt Beträge von vielleicht 80 Euro und die müssen auch noch versteuert werden. Was bleibt den Versicherten tatsächlich davon?

Bahr: Nicht alle Versicherten zahlen Steuern. Bei einigen Kassen lagen Summen auf dem Konto, die nicht verantwortbar waren. Das Geld ist das Geld der Versicherten und Patienten, nicht der Krankenkassen.

Sie sollen es in bessere Versorgung und Leistungsverbesserungen investieren und den Versicherten etwas zurückgeben. Und davon hat es doch jetzt einen guten Mix gegeben.

Ärzte Zeitung: Überschüsse bei den Kassen könnten auch dazu eingesetzt werden, etwa den Leistungskatalog dahin gehend zu überprüfen, Innovationen zu fördern: Wo sehen Sie diese?

Bahr: Etwa bei der besseren Versorgung gerade auf dem Land. Zudem verbessern wir die ärztliche Versorgung in Pflegeheimen und die spezialfachärztliche Versorgung. Allerdings kann ich die Kassen bei der integrierten Versorgung nur auffordern, die Instrumente zu nutzen. Ich wünsche mir da mehr Ehrgeiz.

Ärzte Zeitung: In diesem Zusammenhang wird auch der Ruf nach einem Innovationsfonds lauter. Was halten Sie von dieser Idee?

Bahr: Ich bin gegen Planwirtschaft, die überall Töpfe schafft. Es darf nicht so sein, dass sich plötzlich vieles "Innovation" nennt, um an das Geld im Topf zu kommen. Das wäre gegenüber den Beitragszahlern nicht zu verantworten.

Ärzte Zeitung: Das Thema Überschüsse beschäftigt auch die Pharmaindustrie: Warum wird der Zwangsrabatt nur "formal" überprüft und nicht abgeschafft?

Bahr: Der wird sachgerecht überprüft. Deutschland liegt im Vergleich bei den Arzneimittelpreisen immer noch auf einem hohen Niveau. Der erhöhte Herstellerrabatt war ein Vorgriff auf die neue Preisfindung im AMNOG - und die kommt jetzt erst in Gang. So begründet sich der erhöhte Herstellerrabatt im Gesetz.

Ärzte Zeitung: Kommen wir zu den Honorarverhandlungen: Hier haben Ärzte und Kassen so gerade die Kurve bekommen. Was sagen Sie jetzt der Ärzte-Allianz, die ihre Proteste fortsetzen will?

Bahr: Das Verhandlungsergebnis ist tragfähig. Jetzt sollten sich die Ärzte in die Umsetzung einbringen. Das Versorgungsstrukturgesetz gibt viele Chancen zu einer einfachen und leistungsgerechten Vergütung.

Ärzte Zeitung: In diesem Kontext: Hat sich nach Ihrer Meinung die Professionalisierung der ärztlichen Selbstverwaltung bewährt?

Bahr: Die gegenseitigen Vorwürfe zwischen Kassen und KBV waren kein Glanzstück - über einiges konnte ich nur den Kopf schütteln. Ich kann der Selbstverwaltung nur raten, das Miteinander ernst zu nehmen. Nur so kann vermieden werden, dass sich ein solches Schauspiel wiederholt.

Ärzte Zeitung: Auch der Spitzenverband hat sich nicht mit Ruhm bekleckert: Sollte man ihn abschaffen und den Kassen wieder direkt das Verhandlungsmandat übertragen?

Bahr: Ich war selbst nie Befürworter eines Einheitsverbandes. Doch in der Koalition gehen wir mit dem Versorgungsstrukturgesetz wieder weg vom Zentralismus.

Die Verhandlungen sollen wieder in den Regionen stattfinden. Der Spitzenverband ist nur so stark, wie er den Rückhalt der einzelnen Kassen hat.

Ärzte Zeitung: Ärzte und Kassen haben sich darauf verständigt, psychotherapeutische Leistungen auszugliedern. Die Politik war bislang dagegen - was nun?

Bahr: Ich finde die Entscheidung sehr gut. Es zeigt auch, dass Selbstverwaltung zur Einigung in der Lage ist - manchmal vielleicht nur mit etwas Druck von außen. Vor allem werden mit dieser Lösung drohende Konflikte vermieden: Der Anstieg der psychotherapeutischen Leistungen wäre sonst zulasten der Fachärzte gegangen.

Ärzte Zeitung: Die KBV will die niedergelassenen Ärzte fragen, ob der Sicherstellungsauftrag in dieser Form bestehen bleiben soll. Wie notwendig ist eine solche Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt?

Bahr: Der Sicherstellungsauftrag ist das Einzige, was eine Pflichtmitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung rechtfertigt. Das ist eine Körperschaft, die eine Aufgabe übernimmt, die sonst die Kassen oder der Staat übernehmen müsste.

Allerdings meine ich, dass der Sicherstellungsauftrag bei den Ärztinnen und Ärzten gut aufgehoben ist. Wer den Sicherstellungsauftrag infrage stellt, muss auch beantworten, wer ihn künftig übernimmt.

Ich bin dagegen, dass der Staat oder die Krankenkassen den Sicherstellungsauftrag übernehmen. Das wäre für die Patientinnen und Patienten und auch für die Ärzte schlechter.

Das Interview führten Wolfgang van den Bergh und Sunna Gieseke

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