Barmer-Chef

Hausärzte fördern und nicht behindern!

Die Barmer GEK hat sich dafür ausgesprochen, die hausarztzentrierte Versorgung in ein reformiertes Kollektivvertragssystem einzubinden. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK, erläutert diese Forderung im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Hausarztverträge im Kollektivsystem - damit werden Sie sich beim Hausärzteverband keine Freunde machen.

Dr. Christoph Straub: Um es ganz klar zu sagen: Wir sprechen uns für eine gestärkte hausärztliche Versorgung aus. Das beinhaltet auch eine ausreichende Finanzierung. Eine starke hausärztliche Versorgung ist das Fundament einer guten gesundheitlichen Versorgung.

Was bedeutet das konkret?

Dr. Christoph Straub

Hausärzte fördern und nicht behindern!

© Jörg Carstensen / dpa

Aktuelle Position: Seit 1. August 2011 Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK

Werdegang: zwischen 1994 und 2000 unterschiedliche Positionen beim VdAK / AEV; 2000 bis 2009 unterschiedliche Positionen bei der Techniker Krankenkasse, zuletzt stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes; 2009 bis 2011 Vorstand Rhön-Klinikum AG

Ausbildung:1983-1989 Studium der Medizin; 1991-1994 Wissenschaftlicher Assistent an der Stiftungsprofessur Gesundheitssystemforschung in Tübingen

Jahrgang: 1961

Der Gesetzgeber wollte von Anfang an, als der Paragraf 73b erstmals ins Gesetz kam, dass schnell eine flächendeckende, populationsbezogene hausärztliche Versorgung entsteht.

Er wollte kein Trial and Error. Und er wollte keine Lösungen, die sich punktuell und inselförmig über die Jahre hinziehen.

Es gab ein klares politisches Konzept, dass alle Kassen mehr oder weniger gleich mit einem Partner Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung schließen sollten.

Bekanntlich lief es dann aber anders.

Seit dem ersten 73b hat sich die Welt weiter gedreht. Die Probleme sind heute andere. Es geht nicht mehr darum, einen größeren Anteil des Honorars der Hausärzte am Gesamthonorar sicherzustellen.

Und es geht auch nicht nur um eine prononciertere Wahrnehmung der Lotsenfunktion.

Sondern?

Heute geht es darum, hausärztliche Versorgung an sich sicherzustellen. Viele Hausärzte sind in einem höheren Alter und werden irgendwann ausscheiden.

Im ländlichen Raum deuten sich bereits Engpässe an. Das primäre Interesse der Politik über populationsbezogene Verträge eine flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung sicherzustellen, ist sogar drängender geworden.

Und: Im Kollektivsystem haben wir inzwischen Regelungen geschaffen, die eine Entwicklung in diese Richtung fördern.

Sollen also wieder ausschließlich die Kassenärztlichen Vereinigungen zuständig sein?

Was wir fordern, sagt noch nichts darüber aus, wer in welcher Konstellation mit wem im kollektiven System verhandelt.

Für viele ist die hausarztzentrierte Versorgung in Baden-Württemberg mit einem einfachen Honorierungssystem und einer transparenten Abrechnung ein Vorbild.

Warum sollte man dem Kollektivsystem die Unfähigkeit unterstellen, sich in diese Richtung zu verändern? Was in Baden-Württemberg gemacht wird, ist grundsätzlich auch im Kollektivsystem möglich.

Die nächste Frage wäre dann jedoch, wie müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen normiert werden, damit die Akteure, beispielsweise in der KBV und im Hausärzteverband, Handlungsspielraum haben.

Ich meine, man braucht Regeln, damit die Hausärzte innerhalb dieses Systems in abgrenzender Wahrnehmung ihrer Interessen die Dinge auch so durchsetzen können, wie es sinnvoll ist.

Die Ausgestaltung eines hausärztlichen Vergütungssystems muss so sein, dass die hausärztliche Tätigkeit gefördert und nicht behindert wird.

Ein Streitpunkt ist die Refinanzierungsklausel, nach der die Vergütung in der hausarztzentrierten Versorgung nicht höher als im Kollektivsystem sein soll.

Die Einführung der Refinanzierungsklausel in den 73b war eine Reaktion des Gesetzgebers darauf, dass es zuvor 73b-Verträge gab, bei denen zwar mehr Geld geflossen ist, ohne dass aber für die Beteiligten erkennbar geworden oder objektiv zu messen gewesen wäre, dass sich die Qualität der Versorgung verbessert.

Die Refinanzierungsklausel sollte verhindern, dass man für die gleiche Versorgung schlicht mehr bezahlt. Das ist legitim.

Es muss das Interesse des Gesetzgebers sein, dass dort wo er Vertragsfreiheiten eröffnet, diese auch zu einer Effizienzsteigerung führen. Das war nicht der Fall und führte daher zur Refinanzierungsklausel.

Die Hausärzte sehen das anders.

Klar ist auch, dass die Refinanzierungsklausel, so wie sie jetzt im 73b drin steht, jeden größeren innovativen verändernden Ansatz sehr schwierig macht, wenn nicht sogar verunmöglicht.

Deshalb sagen wir: So geht es eben nicht und deshalb sollte man die hausarztzentrierte Versorgung wieder zurück in den Kollektivrahmen nehmen.

Das schließt nicht aus, dass die Krankenkassen die Möglichkeit haben sollten, ergänzende Verträge mit Hausärzten zu schließen, um so regionale oder lokale Verhältnisse zu berücksichtigen und um Weiterentwicklung zu erproben.

Wir tun dies in Ärztenetzen, und dort sind immer überwiegend Hausärzte.

Sie wollen als Barmer GEK in Zukunft wieder stärker auf Praxisnetze setzen. Warum?

Wir haben gelernt, dass die Kernprobleme der Individualverträge darin liegen, bestimmte Versorgungszusammenhänge zu optimieren.

Die Versorgung in Deutschland ist heute ganz entscheidend durch regionale oder lokale Versorgungsstruktur geprägt. Und das berücksichtigen wir dann auch in unseren Verträgen mit den Netzen.

Hausarztverträge und die Barmer GEK

Einer der ersten Hausarztverträge, der auch bundesweit für Aufsehen sorgte, kam 2005 als Integrationsvertrag zwischen dem Deutschen Hausärzteverband und der damaligen Barmer-Ersatzkasse zustande. Drei Jahre später wurde der Vertrag beendet, nachdem das Bundessozialgericht entschieden hatte, es handele sich nicht um einen Vertrag zur Integrierten Versorgung.

Die inzwischen zur Barmer GEK fusionierte Kasse hat 8,7 Millionen Versicherte. Sie ist damit bundesweit die größte Krankenkasse.

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