Barmer GEK

Mehr Hörgeräte, mehr Inkontinenzeinlagen

Die Menschen werden immer älter - und das wirkt sich auf die Verordnung von Heil- und Hilfsmittel aus. Die Barmer GEK registriert einen deutlichen Anstieg.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Für Hörhilfen gab die Barmer GEK im Jahr 2013 insgesamt 74,1 Millionen Euro aus.

Für Hörhilfen gab die Barmer GEK im Jahr 2013 insgesamt 74,1 Millionen Euro aus.

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BERLIN. Immer mehr Menschen in Deutschland brauchen Heil- und Hilfsmittel wie zum Beispiel Hörgeräte und Physiotherapien.

Hörhilfen war eines der am häufigsten verschriebenen Hilfsmittel im Jahr 2012: Insgesamt 74,1 Millionen Euro gab die Barmer GEK dafür aus.

Lediglich für Inhalations- und Atemtherapiegeräte (96,7 Millionen Euro) und Inkontinenzhilfen (77,4 Millionen Euro) musste die Kasse im selben Zeitraum noch tiefer in die Tasche greifen.

Das ist das Fazit des Heil- und Hilfsmittelreports der Barmer GEK, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Als Gründe für den Anstieg nannte Barmer GEK-Vize Rolf-Ulrich Schlenker die Alterung der Bevölkerung und den technischen Fortschritt - diese Aspekte trieben den Bedarf an Heil- und Hilfsmitteln in die Höhe.

Vielmehr Menschen als angenommen brauchen Hilfsmittel

Dem Report zufolge entfallen fast sieben Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf Heil- und Hilfsmittel. Zusammen bildeten sie den viertgrößten Ausgabenblock der GKV, so Schlenker.

Von 2007 bis 2012 seien die Ausgaben für Hilfsmittel in der GKV um 17 Prozent, die für Heilmittel um 27,8 Prozent gestiegen.

Im Jahr 2012 sei das Wachstum mit einem Plus von rund 2,3 Prozent bei den Heilmitteln und einem Plus von etwa 2,7 Prozent bei Hilfsmitteln vergleichsweise moderat gewesen. "Allerdings deuten sich für das Jahr 2013 höhere Steigerungsraten an", sagte Schlenker.

Im ersten Halbjahr hätten diese bei einem Plus von 3,5 Prozent für Heilmittel und einem Plus von 5,1 Prozent für Hilfsmittel gelegen. "Die Wachstumskurve entwickelt sich 2013 also wieder deutlich steiler", so Schlenker.

Es seien viel mehr Menschen als bisher angenommen von der Heil- und Hilfsmittelversorgung betroffen. Als Beispiel nannte Studienautor Professor Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen, dass Patienten deutlich häufiger mit einem künstlichen Darm- oder Harnblasenausgang (Stoma) versorgt werden müssten, als bisherige Schätzungen nahelegten. "Bislang wurde mit 100.000 Betroffenen gerechnet", so Glaeske.

Die Analyse habe jedoch ergeben, dass von 160.000 Betroffenen ausgegangen werden müsse. Hier seien dringend weitere Untersuchungen erforderlich.

Auch die Tatsache, dass 270.000 Menschen in Deutschland Adaptionshilfen wie Anzieh-, Greif- und Lesehilfen benötigen, zeigt die wachsende Bedeutung dieses Versorgungssektors", so Glaeske.

Deutliche regionale Unterschiede

Ein weiteres Ergebnis des Reports: Es gibt deutliche regionale Unterschiede in der Verordnung. Je nach Bundesland liege der Anteil an Versicherten mit Hilfsmittelversorgungen zwischen 19,7 Prozent (Brandenburg) und 23,1 Prozent (Nordrhein-Westfalen). heißt es in dem Report.

Ein weiteres Beispiel ist die Logopädie: In Bremen und Bayern liege der Anteil der Verordnungen zwischen 52 und 55 Prozent, in Sachsen und Sachsen-Anhalt dagegen bei mehr als 70 Prozent.

"Allein medizinische Erklärungen reichen für solche Unterschiede nicht aus", betonte Schlenker. Hier spielten sicherlich auch noch regionale Verordnungstraditionen eine Rolle.

Schlenker kritisierte zudem das Angebot auf dem Hilfsmittelmarkt mit mehr als 32.000 Produkten "ein wahres Dickicht". Es sei viel zu unübersichtlich, so Schlenker.

Die Palette reiche vom kleinen Orthopädieschuhmacher zum großen Sanitätshaus, von industriellen Produzenten von Inkontinenzhilfen, Bandagen und Rollstühlen bis zu den omnipräsenten Filialisten für Seh- und Hörhilfen. "Entsprechend schwierig ist die Wettbewerbssituation", betonte Schlenker.

Das Vertragsgeschäft der Krankenkassen werde dadurch nicht gerade erleichtert. Für hoch frequentierte Hilfsmittel gäben Festbeträge die Preise vor.

Ausschreibungen oder Bekanntmachungen funktionierten nur dort, wo eine hinreichende Konkurrenzsituation existiere.

Nutzenbewertung für Hilfsmittel gefordert

Studienautor Glaeske forderte darüber hinaus eine Nutzenbewertung für Hilfsmittel. Viele Patienten in Deutschland seien durch fehlerhafte oder riskante Implantate gefährdet. "Es sind nicht Einzelfälle, es sind Tausende", so Glaeske.

Bekannt seien etwa Fälle, in denen Metallabrieb von künstlichen Gelenken das Blut verunreinige. Andere Patienten würden mit untauglichen Herzschrittmachern alleingelassen: Der Hersteller sage, die Defibrillationselektrode könne wieder entfernt werden - die deutsche kardiologische Gesellschaft warne davor. Eine substanzielle Zulassung sei überfällig, so Glaeske.

Dadurch müsse ein konkreter Nutzen für bestimmte Indikationen nachgewiesen werden. Schlenker forderte ein einheitliches europäisches Zulassungsverfahren.

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