BKK Gesundheitsatlas 2015

Mehr Fehltage wegen psychischer Leiden

Frauen leiden häufiger unter Burn-out, Rentner und Arbeitslose erkranken besonders oft an Depressionen — und in Großstädten gibt es mehr psychische Erkrankungen.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Laut Studie sind Frauen besonders gefährdet, einen Burn-out zu bekommen.

Laut Studie sind Frauen besonders gefährdet, einen Burn-out zu bekommen.

© Rofeld / Fotolia.com

BERLIN. Nehmen seelische Erkrankungen in Deutschland zu? Dieser Frage geht der BKK Gesundheitsatlas 2015 "Blickpunkt Psyche" nach, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes, und Professor Frank Jacobi von der Psychologischen Hochschule Berlin erläuterten die Ergebnisse, für die Daten von 4,3 Millionen BKK Versicherten ausgewertet worden sind.

Dabei wurde deutlich, dass es auf die Frage, ob psychische Erkrankungen zunehmen, keine einfache Antwort gibt.

Knieps berichtete, im Vergleich zu 2003 hätten sich Krankentage wegen seelischer Leiden mehr als verdoppelt. Die Falldauer bei Krankschreibungen sei in zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen.

Im Schnitt dauern sie mit 40 Krankentagen je Fall (bei Depressionen 58 Tage) sehr lange. Empirische Studien zeigten allerdings keine wesentliche Zunahme psychischer Störungen. Wie passt das zusammen?

Seelische Krankheiten werden weniger übersehen

Zum einen würden seelische Krankheiten heute nicht mehr so häufig übersehen wie noch vor einigen Jahren, erklärte Jacobi den scheinbaren Widerspruch.

Zum anderen sei der Anstieg auch auf eine gesellschaftliche Veränderung zurückzuführen: "Betroffene hatten früher noch Angst vor einer Stigmatisierung. Heute hingegen nimmt man Hilfe stärker in Anspruch, weil offener damit umgegangen wird."

Noch vor zehn oder 15 Jahren seien bei Patienten mit Symptomen, die auf ein psychisches Leiden hindeuteten, viel häufiger unspezifische körperliche Beschwerden attestiert worden, sagte Franz Knieps.

Heute scheint sich dies fast umgekehrt zu haben. Die Zahl der psychischen Erkrankungen könnte möglicherweise "sogar unrealistisch hoch sein, weil überdiagnostiziert wird", so Jacobi.

Große regionale Unterschiede

Denn wenn der behandelnde Arzt einmal die Diagnose Angsterkrankung, Depression oder Persönlichkeitsstörung gestellt habe, werde diese den Patienten "verfolgen" - "dann läuft sie immer weiter mit", so Jacobi. In den BKK Abrechnungsdaten zeigen sich auch große regionale Unterschiede bei den psychischen Diagnosen.

So werden Depressionen insbesondere in Süddeutschland (Bayern und Baden-Württemberg) häufiger diagnostiziert als im Norden oder Osten Deutschlands.

In Großstädten wie Berlin, Hamburg, München werden mehr seelische Leiden attestiert als in ländlichen Gegenden. Dies könne daran liegen, dass in Großstädten möglicherweise "eine gewisse Art von Stress" herrsche, sagte Jacobi. Er warnte allerdings bei der Betrachtung der Zahlen generell davor, allzu schnelle Erklärungen zu suchen.

Bestellt werden kann der BKK Gesundheitsatlas unter shop@mwv-berlin.de.

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