Flüchtlingsversorgung

Mehrkosten für die Kassen sind unklar

Ein Medienbericht spricht von "mehreren Hundert Millionen Euro": Tatsächlich könnten auf die Krankenkassen Mehrausgaben zukommen, wenn die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt nicht gelingt. Doch das Problem ist ein grundsätzliches.

Veröffentlicht:
Ärztliche Versorgung in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) in Zirndorf (Bayern).

Ärztliche Versorgung in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) in Zirndorf (Bayern).

© Kamann/dpa

BERLIN.

Tatsächlich ist dieses Zahlentableau vage: Die Auswirkungen auf die GKV hängen von Faktoren ab wie etwa der Entwicklung der Asylbewerberzahlen und der Frage, inwieweit die Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt gelingt, erklärte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) rechnet damit, dass wegen des Flüchtlingszuzugs die Zahl der ALG-II-Bezieher in diesem Jahr um 270.000 Menschen steigt. Sollte es zu zusätzlichen Belastungen durch die Integration von Flüchtlingen in die GKV kommen, so sind diese nach Auffassung des BMG eine "gesamtgesellschaftliche Aufgabe", müssten also nicht vom Beitragszahler, sondern aus Steuern finanziert werden.

Seit Jahren ein Problem

Mehrausgaben der Kassen für ALG-II-Bezieher seien ein grundsätzliches Problem, das sich bereits seit Jahren stelle, sagt Ann Marini vom GKV-Spitzenverband. "Ob und inwieweit sich dieses Problem durch die Flüchtlingswelle verschärft, kann zurzeit noch in keiner Weise eingeschätzt werden", so Marini.

In den ersten 15 Monaten gilt für Flüchtlinge eine Wartezeit, in der sie Leistungen nur nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Erst danach werden sie zu GKV-Versicherten, deren Beiträge - im Falle der Arbeitslosigkeit - der Bund anteilig zahlt. Aktuell sind dies, wie für alle anderen ALG-II-Bezieher auch, 90 Euro pro Monat.

Unklar sind bisher zudem die tatsächlich durch Flüchtlinge in der GKV entstehenden Gesundheitskosten. Hierzu liegen nur Erfahrungswerte etwa aus Hamburg vor. Danach sollen sich die Kosten auf 180 bis 200 Euro pro Monat belaufen. Zum Vergleich: Die durchschnittlichen Leistungskosten für alle GKV-Mitglieder lagen im Jahr 2014 bei rund 300 Euro pro Monat.

Evaluation geplant

Bis Ende 2015 hatte der Zuschuss des Bundes für ALG II-Bezieher noch 140 Euro pro Monat betragen. Mit der im Sommer 2014 beschlossenen GKV-Finanzreform ist diese Regelung zum Jahresanfang 2016 geändert worden: Seitdem müssen sich alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, die ALG II beziehen und über 15 Jahre alt sind, eigenständig in der GKV versichern. Ob diese Neuregelung kostenneutral ist, werde erst "eine spätere Evaluation zeigen", so der GKV-Spitzenverband.

Die GKV erhält zur Deckung ihrer gesamtgesellschaftlichen Aufgaben im laufenden Jahr 14 Milliarden Euro vom Bund, 2017 werden es 14,5 Milliarden Euro sein. Ob Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe unter Verweis auf die Flüchtlinge mehr Geld loseisen kann, ist ungewiss.

Für diese Woche hat Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer seine Kollegen aus anderen Ministerien zu Gesprächen über den Bundesetat 2017 geladen. Dessen Eckpunkte sollen bis Ende März festgelegt werden. Der Spielraum für Zusatzausgaben gilt als gering. (fst)

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

Neuer Hoffnungsträger

Homotaurin-Prodrug bremst Alzheimer

Lesetipps
Schwere Infektionen mit Antibiotika richtig behandeln: Behandlungsmythen, die so nicht stimmen.

© bukhta79 / stock.adobe.com

Richtig handeln bei Infektionen

Drei Mythen bei der Antibiotika-Therapie auf dem Prüfstand